Bei den Worten „autofreie Stadt“, läuft es so manchem Autoliebhaber eiskalt den Rücken runter. Eine Stadt ohne Autos!? Niemals! Nicht mit mir. Viele Fußgänger sind genervt von den rücksichtslosen E-Scooter-Fahrern, die auf den Gehwegen ein Wettrennen im Fußgänger-Slalom veranstalten. Wieder andere stören sich an den vielen herrenlosen Leih-Fahrrädern, die nicht selten wie bestellt und nicht abgeholt mitten auf den Geh- oder Radwegen stehen (und liegen). Was für eine geballte Ladung Emotion, die bereits heute mit einigen Mobilitätsangeboten und -konzepten der Zukunft verbunden ist!
Das könnte daran liegen, dass die „Beweglichkeit [… und] die Befriedigung von Bedürfnissen durch Raumveränderung (kurz: Mobilität)“1 alle betrifft. Zumindest alle, die sich hin und wieder von A nach B bewegen möchten. Sei es der tägliche Weg zur Arbeit, die spontane Fahrt zum Freund um die Ecke oder der Flug in den Sommerurlaub ans andere Ende der Welt: Ein funktionierendes Verkehrssystem ist für uns längst so lebensnotwendig wie selbstverständlich geworden. Nicht ohne Grund zählt der Bereich „Transport und Verkehr“ zu den sogenannten „kritischen Infrastrukturen“, die es laut Bund und Ländern besonders zu schützen gilt. 2
„Realisierte Mobilität ist realisierte Beweglichkeit, ist die Befriedigung von Bedürfnissen durch Raumveränderung (kurz: Mobilität). Verkehr ist das Instrument, das man dann für die konkrete Umsetzung der Mobilität benötigt.“1
Seit einiger Zeit macht sich nun die Forderung nach einer „Verkehrswende“ breit. Eine Wende im Verkehrssystem? Was soll das bedeuten? Eine „grundlegende Umstellung des öffentlichen Verkehrs [besonders mit ökologischen Zielvorstellungen]“, so lautet die Definition von „Verkehrswende“ im Duden.3 Es geht bei der Verkehrswende also vor allem um die Umwelt: Der Energieverbrauch soll gesenkt, Abgase verringert und Umweltschäden reduziert werden. Das Ziel ist, dass der Verkehr in Zukunft klimaneutral wird. Dafür soll zum einen von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umgestellt werden (Energiewende), zum anderen soll es einen Strukturwandel im Mobilitätsangebot und Veränderungen im Verkehrsverhalten geben (Mobilitätswende).4
Verkehrswende = Energiewende + Mobilitätswende
Großstädte, Stadt-Land-Regionen und das Land sind von der Verkehrswende gleichermaßen betroffen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Während in den Städten vor allem die Stärkung des Fuß- und Radverkehrs, der Ausbau von Car-, Bike- und Ride-Sharing-Angeboten und die Förderung des ÖPNVs im Mittelpunkt steht (Multi- und Intermodalität), „bleibt auf dem Land für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung das private Auto Verkehrsmittel Nummer eins.“ 4
Multimodalität im Personenverkehr meint die Möglichkeit, verschiedene Verkehrsmittel zu nutzen. Ein Mensch ist dann multimodal unterwegs, wenn er diverse Verkehrsmittel nutzt […]. Intermodalität hingegen bedeutet die Verkettung von Verkehrsmitteln. Eine Person ist dann intermodal unterwegs, wenn sie während eines Weges mehrere Verkehrsmittel nutzt […]5
Fragen zur Mobilität der Zukunft sind auch in München aktuell – und das nicht erst seit gestern. Bereits 1995 wurde für die gemeinsame Diskussion und Lösung von „Verkehrsproblemen des Ballungsraums“ 6 die sogenannte „Inzell-Initiative“ gegründet. Die Inzell-Initiative ist eine Kooperation der Landeshauptstadt München und der BMW Group. Bei den Inzell-Sitzungen und Workshops kommen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und anderen Organisationen zusammen, um gemeinsam Probleme zu identifizieren, Lösungen zu erarbeiten und Maßnahmen umzusetzen. (Auch die TUM zählt zu den Partnern der Inzell-Initiative!)
Gemeinsam Verkehrsprobleme lösen &
Mobilität zukunftsfähig gestalten
Ein Projekt der Inzell-Initiative ist die Modellstadt München 2030. Die Modellstadt 2030 ist eine gemeinsame Vision für die Münchener Mobilität im Jahr 2030. Der Fokus liegt dabei auf dem Zusammenspiel zwischen Mensch, Raum, Verkehr und Prozess sowie der Steigerung der Lebens- und Mobilitätsqualität, insbesondere durch eine Neuaufteilung öffentlicher Räume und eine verbesserte Vernetzung der Stadtregion. Anhand konkreter Ziele (z.B. „robust & verlässlich“) und Werkzeuge (z.B. „Multimodale Angebotsvielfalt“) beschreibt die Modellstadt 2030 wie die gezeichnete Vision zur Realität werden kann.7
Dennoch ist die Modellstadt 2030 nur ein erster Schritt auf dem Weg in Richtung Verkehrswende. Wie die Ideen und Impulse in der Praxis umgesetzt werden sollen, damit beschäftigen sich derzeit die Stadt- und Verkehrsplaner der Landeshauptstadt. Einen Überblick über die geplanten Maßnahmen gibt der „Mobilitätsplan München“ – das Gesamtkonzept für Münchens Mobilität der Zukunft. Mehr dazu erfahrt ihr in meinem nächsten Artikel.
Quellen:
1 aus Becker, U.; Gerike, R.; Völlings, A.: Gesellschaftliche Ziele von und für Verkehr, Heft 1 der Schriftenreihe des Instituts für Verkehr und Umwelt e.V. (DIVU), S. 71; Dresden 1999
2 https://www.kritis.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/KritischeInfrastrukturen/
kritischeinfrastrukturen_node.html
3 https://www.duden.de/rechtschreibung/Verkehrswende
4 https://www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Projekte/2017/12_Thesen/Agora-Verkehrswende-12-Thesen_WEB.pdf
5 https://www.vcd.org/themen/multimodalitaet/schwerpunktthemen/was-ist-multimodalitaet/
6 https://www.inzellinitiative.de/stationen.html
7 https://www.inzellinitiative.de/documents/Modellstadt2030_Broschuere.pdf
8 https://www.muenchen.de/rathaus/dam/jcr:6b039253-6432-4942-9979-13a656666576/Vision-Zeichnung-Mobilitaet-Muenchen2030.pdf
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