Völlig losgelöst

Messebesuch auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA 2024 in Berlin

Die diesjährige ILA steht ganz im Zeichen der Zeit: Ein großer Teil der Aussteller ist aus der Rüstungsindustrie. Noch vor dem Einlass bekommt man gleicheine Ausgabe des Military Technology ILA Berlin-Magazin in die Hand gedrückt, unweit davon entfernt ist ein grüner Recruiting-LKW der Bundeswehr.

Das Messegelände liegt zwischen den Startbahnen des BER-Flughafens. Der Flugbetrieb läuft natürlich weiter, im Minutentakt heben links und rechts die Flieger ab. Eine A380 von Emirates thront über dem Static Display auf dem Vorfeld. Dabei fliegt die Golf-Fluglinie gar nicht nach Berlin. Vielleicht erklärt das die lange Warteschlange, um sie von innen zu sehen: mindestens eine Stunde Wartezeit, wenn nicht sogar deutlich mehr.

Neben der A380 sind auf dem Vorfeld zahlreiche andere Flugzeuge geparkt: Airbus A321 XLR, A310 Zero-G, mit der 22 Sekunden lang im Parabelflug Schwerelosigkeit für wissenschaftliche Experimente und Tourist*innen erreicht werden kann, Bombardier Global 6000 der deutschen Flugbereitschaft, das BelugaST-Transportflugzeug für das Verfrachten von Flugzeugteilen zwischen den verschiedenen Airbus-Standorten. Auch hier macht sich das Thema Verteidigung stark bemerkbar. Die überwiegende Mehrheit der Flugzeuge und Hubschrauber auf dem Static Display sind für militärische Anwendungen vorgesehen. Schon von weitem lässt sich das fliegende Frühwarn- und Leitsystem Boeing E-3 Sentry der NATO Airborne Early Warning & Control Force Command dank dessen Radom mit 9,1 m-Durchmesser erkennen. Die Basis ist eine uralte Boeing 707, die NATO will damit aber bis 2035 fliegen. Das Fliegen ist noch echte Handarbeit: ein Fly-by-Wire System hat die B707 nicht.

Das tolle an der ILA ist, dass man viele Flugzeuge sehen und auch betreten kann, die sonst höchstens auf der militärischen Seite eines Flughafens zu sehen sind: beispielsweise A400M und E-3 Sentry. Auf die Spitze treibt es die Lockheed KC-130J Super Hercules der deutsch-französischen Lufttransportstaffel aus Évreux: sogar ins Fahrwerk darf man hier einen Blick werfen dank geöffneter Klappen! Hier klappt das Fahrwerk nicht heraus wie man es von anderen Flugzeugen gewohnt ist, sondern es fährt über Spindeln nach unten. Die Herky ist hier in der Tankerversion vertreten. Zusätzlich zu den sechs Tanks in den Tragflächen hängen unter den Flügeln noch zwei weitere Tanks, die jeweils 5000 Liter fassen. Zwischen 1200 und 1800 L/min Treibstoff fließen durch die Schläuche beim Auftanken, ein Eurofighter wird meistens mit 5 Tonnen aufgetankt.

Weitere Exponate sind die Transportflugzeuge A400M Atlas der Luftwaffe, die Boeing C-17 Globemaster III, das Luftbetankungs- und Transportflugzeug Boeing KC-46 aus den USA, das Boeing P-8 Poseidon Seeaufklärungs- und U Bootjagdflugzeug (ab 2025 im Dienst der deutschen Marine), F-16, zahlreiche Hubschrauber (u. a. UH-60, CH-53, H145M, H225M, NH-90) und auch Drohnen. Frisch bei Airbus gebacken und auf der Messe erstmals vorgestellt: das Wingman Drohnen-Konzept. Dieses soll eine Art Begleitung für Kampfflugzeuge sein.

Rolls-Royce

Angetrieben soll der Wingman von einem neuartigen Triebwerk werden, dass von Rolls-Royce Deutschland in Dahlewitz und ITP Aero aus Spanien entwickelt wird. Dafür wurde auch auf der ILA der Kooperationsvertrag unterschrieben. Das Wingman Engine basiert auf der Advance2-Core des in Dahlewitz entwickelten Pearl 10X Businessjet-Triebwerks. Durch die Verwendung von bereits existierenden Komponenten sollen die Entwicklungskosten um 2/3 gesenkt werden. Es geht also nicht nur darum, mehr Effizienz rauszuholen, sondern teilweise um günstige Alternativen.

Mit dem Wingman-Triebwerk versucht Rolls-Royce Deutschland in der Verteidigungsbranche Fuß zu fassen. Obwohl der britische Konzern international aufgestellt ist, gibt es in der Verteidigung eine harte Firewall zwischen den nationalen Sparten. Das ist auch ein Grund, weshalb dasrunterskalierte EJ200-Triebwerk des Eurofighters nicht verwendet werden kann, denn dieses wurde vom britischen Teil von Rolls-Royce mitentwickelt, der aber nicht beim Wingman dabei sind.

Hinter dem Wingman-Triebwerk ist in echter Größe der Orpheus-Triebwerksdemonstrator von Rolls-Royce Defence UK ausgestellt, der einfaches Triebwerk für unbemannte Fire-and-Forget-Anwendungen gedacht, quasi ein “Wegwerftriebwerk”,
dessen Plattform nach dem Start nicht mehr zurückkommen wird. Dennoch finden neuartige Technologien Eingang, wie ein elektronischer Starter: Hier kommen Kupferspulen zum Einsatz anstatt einer Kombination aus Welle und Getriebe. So können kostengünstig neue Technologien getestet werden.

Wie steht Rolls-Royce zu Wasserstoff? Gut, hier wird die private Meinung des Ingenierurs stehen und nicht die der Firma. Aufgrund der sehr hohen Sicherheitsanforderungen ist das sehr kompliziert. Wasserstoff hat zwar eine sehr hohe Energiedichte, muss aber dauernd gekühlt werden, es gibt Phasenübergänge und es diffundiert überall hin. Wahrscheinlicher ist es deshalb, so unser Gesprächspartner, dass Sustainable Aviation Fuel (SAF) und Teibstoffe mit Drop-ins, also Additive, kommen werden. Das sind easy-to-handle Treibstoffe, die mit den aktuellen Triebwerksgeometrien und Architekturen verwendet werden können und keine Neuentwicklung von Grund auf benötigen.

Flugshows

Etwa im Stundentakt gibt es verschiedeneFlugshows: Die A321 XLR ist dabei das einzige zivile Verkehrsflugzeug. Das neueste Mitglied der A320neo-Familie hat dank eines Zusatztanks eine Reichweite von 8 700 km mit 11 Stunden Flugzeit. Nach dem Takeoff geht es erst steil nach oben und dann in eine enge Linkskurve. Was so alles möglich ist, wenn keine Passagiere an Bord sind. Die CFM LEAP-1A-Triebwerke der A321 verbrauchen 15 % weniger Treibstoff als die Vorgängergeneration und sind sehr leise, kaum mehr als ein Pfeifen. Den direkten Vergleich liefert eine Boeing 737-800, die gerade auf der anderen Startbahn abhebt und wegen ihrer älteren CFM56-Triebwerke deutlich lauter ist.

Airbus A321XLR Flying Display © Messe Berlin GmbH

Noch lauter ist der Eurofighter Typhoon. Ohrenbetäubend donnert er mit Nachbrenner über die Piste, der Turbinenaustritt glüht orange. Der Eurofighter fliegt enge Kurven und dreht zahlreiche Rollen. Mit sehr hohem Anstellwinkel geschieht der Langsamflug mit 120 Knoten aus dem hinaus ein Looping geflogen wird. Die Piloten trainieren dafür stufenweise: Zuerst üben sie ihre Kunststücke auf 4000 Fuß und gehen dann stufenweise bis auf 500 Fuß runter. Der Pilot wird für drei Jahre ausgewählt. Neben einem eher langweiligen Kommentar wird auch Musik über Lautsprecher abgespielt: sehr passenderweise „Thunderstruck“ von AC/DC, das ist man tatsächlich vom Eurofighter. Und als nächstes „Rock you like a Hurricane“. Da vorne fliegt zwar eine Eurofighter Typhoon und nicht Hurricane, aber close enough, die Besucher*innen sind gerockt.

Als nächstes fliegt die Airbus A400M. Als Transportflugzeug mit einem maximalen Startgewicht von 141 Tonnen ist das eine deutlich gelassenere, fast staatliche Angelegenheit, deswegen ist hier „Resurrection“ von PPK die Begleitmusik. Ein paar Kunststücke muss die A400M aber trotzdem herzeigen, um ihre taktischen Fähigkeiten zu beweisen: enge Kurven mit fast senkrechten Flügeln, Langsamflug, Flug mit offener Ladeklappe. Was für ein schönes Flugzeug! Die A400M ist dank ihrer vier TP400-Turboprops für unbefestigte und kurze Pisten geeignet.

A400M Flying Display

Hubschrauber sind bei den Flugshows auch gut vertreten: SeaKing Mk-41 und Airbus H145M zeigen ein Search and Rescue-Szenario, bei dem die Seilwinde einen Soldaten ablässt und wieder hochzieht. Die SeaKing ist auf Abschiedstour und hat deswegen eine Sonderlackierung, ihre Ausflottung wird noch in diesem Sommer vollzogen.

Darauf folgt das Bundeswehr Joint Scenario mit CH-53, NH90 und Tiger. Die zwei Tiger-Kampfhubschrauber turnen erstmal ein bisserl über die Landebahn und toben sich aus zeigen ihr Können und fliegen ein paar Loopings während die Transporthubschauber NH90 und CH-53 in der Ferne warten. Dann wird das eigentliche Joint Scenario demonstriert: Erst “sichern” die Tiger den Luftraum, dann kommen die zwei NH90s. Von denen seilen sich Soldaten ab, bis schließlich die zwei CH-53 landen und die Soldaten wieder einsammeln.

Ebenfalls kein Starrflügler: die Panavia Tornado Kampfflugzeuge sind am Start. Zum 50-jährigen Jubiläum haben Luftwaffe und italienische Aeronautica Militare ihren Tornados die hübschesten Sonderlackierungen aufgetragen. Während ihrer Flugshow fliegt die Tornado senkrecht in den Himmel und dreht mehrere Rollen. Das Highlight der Tornado: Als Schwenkflügler kann sie
den Winkel ihrer Flügel zum Rumpf stufenlos verstellen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten in der Vorwärtsstellung wird so eine hohe Manövrierfähigkeit erreicht, während für Überschallflug das Anlegen der Flügel nach hinten nötig ist. Bis zu 67° nach hinten sind möglich. Mehrmals werden die Flügel nach vorne und nach hinten geschwenkt, das Donnergrollen der Triebwerke zerreißt die Luft.

Tornado Flying Display

Doch die Show wird von der Lockheed Martin F-35A Lightning II und den amerikanischen Kommentatoren gestohlen. Die kündigen es an: „the power to dominate the skies, anytime, anywhere”, “you will witness its raw power”. Showbiz können die Amerikaner deutlich besser als die deutschen Kommentatoren. Die liefern zwar ein paar mehr Informationen, es ist aber eher ein Aufzählen technischer Daten.

Im Langsamflug schwebt fast die F-35 mit unter 100 Knoten vorbei, dann rauscht sie beim Hochgeschwindigkeitspass knapp unter der Schallgeschwindigkeit vorbei, und der Signature Move, der “lightning loop“: Aus einer sehr engen Kurve heraus fliegt die Pilotin senkrecht in den Himmel und macht ein Looping. Und wahrscheinlich, weil es so viel Spaß macht, noch mehrere Rollen, Kopfüber-Flug und Sturzflug. Kein Zufall, dass parallel dazu „Made for this“ von The Phantoms läuft:

„Oh, you can try your best to
step in my ring
Oh, but I’ll just knock you
dead like it wasn’t a thing
Gonna push it harder
Gonna climb up higher
It’s like I just can’t miss
I was made for this
Show the world I’m stronger
Prove it to ‘em I’m a fighter
I can’t help but win
I was made for this“

Ein Banger, nur das von Pratt & Whitney F-135-Triebwerk mit Nachbrenner der F-35 knallt noch mehr.

Lockheed Martin F-35A Lightning II Flying Display © Messe Berlin GmbH
Lightning Loop F-35

Der Mehrzweckhubschrauber NH90

Der Mehrzweckhubschrauber NH90 Der NH90-Hubschrauber von NHIndustries (NH steht dabei für NATO Helicopter) ist auf der ILA in seinen zwei Varianten vertreten. Einmal in der Marineversion NFH (NATO Frigate Helicopter) bei den Marinefliegern und öfters in der Landversion TTH, (Tactical Transport Helicopter). Der NH90 ist der erste Serienhubschrauber, der mit fly-by-wire gesteuert wird und kann bis zu 20 Passagiere transportieren. Seine Indienststellung geschah 2006.

NH90 Sea Lion der Marineflieger

Der Marine-Schrauber kann mehr als der Heeres-Heli, kostet dafür aber auch mehr. Dank eines elektrischen Motors können Heck und Rotor in knapp über einer Minute eingeklappt werden, damit der NH90 Sea Lion in die Enge eines Schiffshangars passt. Das wird auch live demonstriert. Die TTH-Version kann zwar ebenfalls Heck und Rotor einklappen, das geht aber nur manuell und wird selten gemacht, z. B. im Einsatz, wenn der Hubschrauber im Zelt gelagert wird.

Einklappvorgang von Rotor und Heck des NH90

Weitere Unterscheidungselemente des Marine-NH90 NFH sind das Radar auf der Unterseite und deutlich mehr Sensoren und Antennen für alle Frequenzen. In der Kugel vor dem Cockpit sind Tageslicht-Kamera, Infrarot-Kamera und ein Laser Range Finder eingebaut. Diese werden zum Beispiel bei Search and Rescue-Einsätzen (SAR) auf hoher See verwendet. Zur Koordination der Rettungseinsätze aus der Luft gibt es hinter dem Cockpit die Tactical Operator Station, die vom TacO bedient wird.

An den vier Ecken des NH90 ist das Notwasserungsystem angebracht: Vier Ballone blasen sich mit Helium auf und halten so den NH90 20 bis 30 Minuten über Wasser, bis die Rettung kommt. Zwischen den hinteren Fahrwerken ist eine Zange befestigt, das Deck Lock. Diese greift sich nach der Landung auf dem Schiffsdeck sofort in ein Gitter, damit der Hubschrauber fest mit dem Schiff verbunden ist. Nach der Landung wird der NH90 sogleich gewaschen, um Salzrückstände abzuspülen. Wöchentlich muss Korrosionsschutz aufgetragen werden. Die Winde ist das Teil, dass am meisten ausgetauscht wird: weil Menschen am Seil hängen ist sie ein besonders kritisches Teil. Die Hauptursache ist meistens ein Knick im Seil.

Der NH90 der Marineflieger ist in Nordholz, in der Nähe von Cuxhaven, stationiert. Das ist der einzige Standort der Marineflieger. Weitere Infos zum NH90 gibt es beim Heer, das die TTH-Version fliegt. Der Rotor hat einen Durchmesser von 16 m, eine Tankfüllung reicht für 3 Stunden Flugzeit, also 800 km Reichweite. Der Rumpf ist für eine Beschleunigung von 60 G ausgelegt besteht größtenteils aus Kohlenfaser, nur die Spanten sind aus Alu und Titan. Die unterste Schicht der Struktur besteht aus aktiviertem Glas, dann folgt eine Kupfergewebe-Lage. Diese dient dem Potentialausgleich, denn die die Luft wird statisch aufgeladen durch das permanente vorbeispülen der Luft um die Kabine durch den Rotor. Dann ist eine Schicht Aramid als dünne Panzerung und schließlich drei Lagen CFK.

Bei Beschussgefahr fliegt der NH90 nicht, erst muss dafür gesorgt werden, dass der Luftraum frei ist. Als Verteidigungssysteme hat der NH90 Radar- und Infrarotsensortäuschmittel. Diese werden automatisch ausgestoßen dank eines Sensors, der die ausgesendete Zielfindungsfrequenz des angreifenden Lenkflugkörpers erkennt und die erforderliche Gegenmaßnahme trifft. Der Boden des Rumpfs ist leicht gepanzert, der Tank unter dem Boden ist selbstdichtend. Ein Vorteil des NH90 ist die einfache Schadensbehebung, z. B. bei einem ein Einschussloch: Die Lagen werden vorsichtig weggeschliffen und und einzeln wieder aufgetragen. Nach 24 h Aushärtung ist man fertig.

Die Geschichte des NH90 ist von ziemlich vielen Entwicklungs-, Wartungs- und Bereitschaftsproblemen geplagt, Norwegen und Australien haben sich von ihren Modellen wieder getrennt. Belgien hat das ebenfalls vor. Aber über sowas wird hier weniger gesprochen, man will sich von seiner besten Seite zeigen.

Weitere Luftfahrt-Aussteller

Liebherr Aerospace aus Lindenberg im Allgäu entwickelt Fahrwerke für Flugzeuge. Welche Dimensionen diese erreichen können wird eindrucksvoll am größten Produkt gezeigt: sechs Meter hoch steht das Bugfahrwerk der A350 XWB. Daneben entwickelt Liebherr Aerospace auch elektromechanische Aktuatoren für die Flugsteuerung, Kabinenklimatisierung und den Klappmechanismus der Flügelspitzen der 777X. Diese ist noch nicht in Dienst, aber bald (bestimmt, nächstes Jahr, dieses Mal wirklich!). Die Flügel der 777X sind so lang, dass Betreiber in den Flughäfen höhere Standgebühren zahlen müssten, die 3,5 Meter langen einklappbaren Flügelspitzen von Liebherr Aerospace verhindern das aber.

Der 3D-Druck hält bei Liebherr auch Eingang in die Luftfahrtindustrie. Ein 3D-gedruckter Wärmetauscher bietet ganz neue Möglichkeiten der Kühlkanalführung. Doch er bringt auch neue Herausforderungen mit sich. So sind die Materialeigenschaften u.a. von den Druckparametern abhängig. Das Material kann daher nicht nach Datenblatt
gekauft werden.

Wusstest du, dass…

  • … das DLR zweimal im Jahr die A310 Zero Gravity mietet, um Forschenden Experimente in Schwerelosigkeit zu ermöglichen. Bezahlt wird dabei das DLR für je 30 Parabelflüge, geflogen werden aber 31. Ein Schnäppchen sind die Flüge wohl dennoch nicht.
  • … Kampfflugzeuge, wie Zusatztanks, auch Gepäck-Pods mitführen. Die Freigepäckmenge ist dabei aber vermutlich kleiner als bei einem kommerziellen Flugzeug.
  • … mit LEVITUM auch eine studentische Gruppe der TUM unter den Ausstellern war.
  • … die C-17 Globemaster ein Treibstoffleck hatte und die Rückkehrvon Berlin bis Samstag noch nicht geklärt war.

Boeing ist leider nicht selbst mit eigenen Flugzeugen am Static Display vertreten. Deswegen müssen Modelle in der Halle reichen. Der Boeing ecoDemonstrator ist Boeings „lab in the sky”, die aktuelle Plattform ist dafür die 777-200ER. Der ecoDemonstrator dient zum Erproben neuer Technologien für die Luftfahrt. Etwa 30 % der getesteten Systeme werden übernommen, ein Beispiel sind die Winglets. Knapp 300 Technologien wurden bereits getestet. Aktuell wird ein System zum Recyclen von grauem Wasser getestet, da normalerweise das gesamte Wasser in den Abwassertank fließt, gibt es keine Wiederverwendung. Ziel ist es, weniger Wasser an Bord zu haben, wodurch Gewicht und somit Treibstoffverbrauch sinken.

Boeing P-8A Poseidon, U-Bootjäger

Ebenfalls ein fliegendes Labor, dafür aber in Echt und nicht nur ein Modell: Die UpLift Dornier 328-100 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die 328 ist der neueste Flieger des DLR, mit dem, gemeinsam mit Industriepartnern, klimaverträgliches Fliegen erforscht und getestet werden soll. Der Umbau wurde erst vor Kurzem abgeschlossen. Es kamen Messinstrumente in der Kabine, außerdem wurden zusätzliche Hardpoints an Rumpf und Flügel für Sensoren, Instrumente oder kleine E-Motoren eingebaut. Der hintere Teil bleibt für Experimente frei. Das erste Projekt ist eine Erprobung von 100% synthetischen Kraftstoffen. Dabei wird 50-60 m hinter der Dornier ein weiteres Flugzeug fliegen und den Abgasstrahl messen. Das wird das erste Mal, dass so der Abgasstrom von synthetischen Kraftstoffen überhaupt gemessen wird.

Gegenüber ist die Dornier 228. Das Exponat selbst ist die NG-Version und wurde von RUAG gebaut. 2020 wurde jedoch das Programm an General Dynamics AeroTec Systems gekauft, die jetzt das modernisierte NXT-Modell verkauft. Neu sind Glass Cockpit und Avionik. Das Flugzeug wird im Kleinserienbau komplett in eigener Hand in Oberpfaffenhofen gebaut, nur der Rumpf kommt von Potez in Frankreich. Die 228 hat auf den beiden Seiten ein side looking Radar eingebaut. Sie wird unter anderem zur Aufklärung von Ölverschmutzung von den Marinefliegern eingesetzt. Aber auch Landüberwachung kann damit gemacht werden, so wurde die 228 jüngst beim Hochwasser in Bayern eingesetzt. Das DLR hat auch eine 228, die es für Experimente fliegt. Die 228 hat keine Druckkabine, dafür ist die rechteckige Form vorteilhaft für den Einbau von Konsolen.

Wie bei einem Countdown erreicht man nach der 328 und 228 die Dornier 128, wieder im Einsatz beim DLR. Das teilweise als fliegendes Klassenzimmer bekannte Flugzeug wird für Forschungszwecke eingesetzt. Dabei ist das DLR selbst für die Zertifizierung der vielen An- und Umbauten verantwortlich. Forschende bringen anschließend ihre Instrumente mit an Bord und nutzen die vorhandenen Messstellen und Lastpunkte. Solche Messkampagnen können teilweise sehr anstrengend sein und bis zu sechs Wochen dauern.

Die MTU Aero Engines präsentiert mit dem Water-Enhanced Turbofan, kurz WET, ein neues, revolutionäres Triebwerkskonzept. Dabei wird eine klassisches Turbofantriebwerk mit einem Clausius-Rankine Kreisprozess gekoppelt. Wer in Thermodynamik aufgepasst hat, der weiß, dass also ein Verdampfungskreislauf hinzukommt. Wasserdampf wird dabei vor der Brennkammer eingesprüht. Dadurch erhöht sich der spezifische Schub und die Verbrennung wird gleichmässiger. Gepaart mit einer Reduktion der Flammtemperatur lassen sich so der Treibstoffverbrauch und die Emissionen reduzieren.

Damit die mitgenommene Wassermenge minimal ist, muss soviel Dampf wie möglich aus dem Abgas kondensieren. Anschließend muss das Wasser durch die Wärme des Abgasstrahls verdampft und überhitzt werden. Das bedeutet, dass leistungsstarke Wärmetauscher notwendig sind; bisher werden sie in der Luftfahrt nicht in den Leistungsgrößen eingesetzt. Viele Fragen ergeben sich hier hinsichtlich Anordnung, Struktur und natürlich Gewicht; Fragen, auf die MTU ja vielleicht bei der nächsten Messe Antworten hat.

BR710 Triebwerk der Bombardier Global 6000 der Flugbereitschaft

Zusätzlich hat Lilium einen Mock-Up ihres Lufttaxis in Originalgröße gezeigt. Mit gut 13 m Spannweite, 8 m Länge und 2.5 m Höhe ist der Lilium Jet ein richtig großes Ding. Zum Vergleich: Eine Cessna 172 als motorbetriebenes Leichtflugzeug hat vergleichbare Maße. Es ist bis jetzt noch nicht wirklich vorstellbar, wie mehrere dieser Luftfahrzeuge einmal in einem Vertiport, geschweige denn im innerstädtischen Luftraum, untergebracht werden sollen. Aber immerhin konnte man hier ein Mock-Up sehen. Von revolutionären Flugzeugen, wie dem Boeing X-66 strut-braced wing Flugzeug oder einem Blended Wing Body war leider nichts zu sehen.

Die TUM ist ebenfalls auf der ILA anwesend, wenn auch nur indirekt. Der Lehrstuhl für Fludsystemdynamik ist am Startup FAST beteiligt, das Flugsimulatoren für eVTOLs (electric Vertical Takeoff and Landing aircraft) baut. Diese sollen es Piloten ermöglichen, Flugstunden und Erfahrung auf eVTOLs zu sammeln, da diese noch nicht weit verbreitet und Flugstunden dementsprechend teuer und schwierig zu absolvieren sind. Um die Simulatoren so realitätsgetreu wie möglich zu machen, ist fast die gesamte Hardware selbst entworfen und produziert, und mit sechs Freiheitsgraden ausgestattet.

Raumfahrt

Für Raumfahrtbegeisterte ist ebenfalls einiges geboten: eine von drei großen Hallen war für Raumfahrtfirmen und -agenturen reserviert.

Für Leute, die sich gefragt hatten, was in dem großen Gebäude von iABG steckt, das man auf dem Weg zum TUM-Campus in Ottobrunn sieht, ist an ihrem Stand ein Blick hinter die Kulissen mit zwei großen Modellen möglich. In den zwei Gebäuden, ein altes und ein neu gebautes, werden Satelliten vor ihrer Integration in die Rakete vollständig getestet. Von genauester Schwerpunktbestimmung und Vibrationstests über Bestimmung der elektromagnetischen Verträglichkeit bis zu Thermal (Vakuum-)Tests ist alles dabei. Das neue Gebäude ist besonders steif gebaut, um hochpräzise Thermal-Vakuumtests von optischen Komponenten zu ermöglichen.

Modelle der Grace Satelliten

Am prominentesten in der Space-Halle ist der Stand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Auf dem flächenmäßig wohl größtem Stand präsentieren sich einige Institute des DLR, darunter das Institut für Robotik und Mechatronik aus Oberpfaffenhofen. Die Exponate reichen von einem Modell eines Mars-Rovers für die Martian Moon Exploration Mission, die von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA geleitet wird, über 3D-gedruckte Raketenmotorteile bis hin zu interaktiven Monitoren, auf denen demonstriert wird, wie Daten der DLR-beteiligten Satelliten für Katastrophenfälle, Crowd Management oder Klimaforschung genutzt werden. Besonders spektakulär wirken Videos von den Testständen in Lampoldshausen, auf denen Raketenmotoren und -stufen getestest werden. Besonders aktuell: die Raketenmotoren Vinci und Vulcain der Ariane 6, die im Juli ihren Erststart hatte, wurden hier geprüft.

Modell der Ariane 6

Besonders für fachfremdes Publikum gibt es im Space-Zelt eine große Ausstellung der aktuellen Missionen und Projekte
der europäischen Raumfahrtagentur ESA und ihrer Partner mit zahlreichen Modellen der Sonden, Satelliten und Instrumente. Dort werden auch jeden Tag mehrere Talks von Mitarbeitern der ESA, des DLRs und anderen Space-Firmen gehalten, allerdings eher auf Laien-Niveau. Auch bekannte Astronaut*innen wie Thomas Pesquet und Samantha Cristoforetti und (noch) unbekannte Reserve-Astronautinnen wie Nicola Winter erzählen von ihren Erfahrungen.

Als eine der großen Firmen im Satellitenbereich ist OHB vertreten, die an vielen europäischen Forschungs-, Navigations- und Kommunikationssatelliten beteiligt ist. Ein Beispiel dafür ist das Galileo-Navigationssystem, das von der ESA geplant und finanziert wird. Auch bei diesem Stand wird hauptsächlich mit Modellen der Satelliten und einer Rakete der Rocket Factory Augsburg aufgewartet statt mit realen Anschauungstücken. Bei dem in der Raumfahrt üblichen Entwicklungsaufwand und den damit verbundenen Kosten verständlich, aber schade im Vergleich zu den Exponaten der Luftfahrtbranche.

Auch Studierende stellen neben den großen Industrienamen auf der Messe aus. Zwei Universitäten, die Technische Universität Berlin und die Julius-Maximilians-Universität Würzburg, präsentieren ihren Satelliten InnoCube mit geplantem Start später im Jahr. Auf diesem 3U-Satelliten sollen zwei Neuentwicklungen getestet werden; ein Batteriesystem, das in die mechanische Struktur des Satelliten integriert ist, und ein internes Kommunikationsnetz über eine WLAN-ähnliche Frequenz, das die Verkabelung der einzelnen Komponenten ablösen und dementsprechend die Integration und das Testen einfacher machen soll. Der Austausch mit anderen Studierenden ist eine willkommene Abwechslung zu den hochpolierten Ständen und Mitarbeitern der bekannten Firmen.

Am Ende des Messebesuchs ist die Tornado wieder in der Luft. Wie zum Abschiedswinken schwenkt sie wieder ihre Flügel vor und zurück.

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