Geteiltes Leid ist halbes Leid
Quasi druckfrisch kommt er daher, der BARMER-Arztreport 2018. Laut ebendieser Studie sind rund 17 Prozent der Studierenden von einer psychischen Diagnose betroffen. Das macht fast eine halbe Millionen Studierende in ganz Deutschland. Allein in München ergibt sich so eine ungefähre Zahl von 20.000 Betroffenen. Und obwohl jeder Sechste davon betroffen ist, ist der Umgang und der Dialog über das Thema Depression oft noch schwerer als so manche GOP im Studium. Ja, Betroffenen fällt es oft schwer darüber zu sprechen. Und ja, Angehörige können das, was da im Kopf eines depressiven Menschen vorgeht, meistens nicht nachvollziehen oder es wird auch für sie zu einer Belastungsprobe. Doch kann es denn die Lösung sein, erst gar nicht darüber zu sprechen?
Ist reden die Lösung?
Als ehemals selbst unter Depressionen leidender Student weiß ich, wie sensibel mit diesem Thema umgegangen wird, kann aber aus eigener Erfahrung sagen, dass nur im Dialog und in der Aufklärung die Lösung liegt. Fangen wir mal mit dem Positiven an. Studieren mit Depression ist möglich. Es ist aber nicht selten mit alltäglichen Hürden verbunden, die es schwerer gestalten. Statt morgens liegen zu bleiben, weil ich nicht in die Vorlesung gehen wollte, blieb ich liegen, weil ich nicht konnte. Statt mich von WhatsApp, Facebook und sonstigem Kram ablenken zu lassen, konnte ich keinen klaren Gedanken fassen, weil ich einfach nicht wusste wie ich weiterleben sollte. Es fühlte sich manchmal so an, als müsste ich ertrinken. Ab und zu schafft man es, den Kopf über Wasser zu bringen und einen tiefen Atemzug zu nehmen. Kurz kann man dann ein paar warme Sonnenstrahlen erhaschen, die neue Kraft geben. Doch dann drückte mich eine unsichtbare Last wieder unter Wasser, bis ich irgendwann vor der Wahl stand: Höre ich auf zu strampeln oder greife ich nach einer der vielen Hände, die mich aus dem Wasser ziehen wollen?
Die helfende Hand
Ich habe mich für Letzteres entschieden und dafür bin ich sehr dankbar. Gleichzeitig ist die Erkenntnis, dass man es alleine nicht mehr schafft, fast der schwerste Schritt. Mir haben damals viele Menschen dabei geholfen. Sei es die psychosoziale Beratungsstelle des Studentenwerks München, Familie oder Freunde und nicht zuletzt eine professionelle Therapie, die bei einer Depression unverzichtbar ist. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Beratungsangebote kann jedoch jeder Betroffene das für ihn passende Angebot in München finden.
Nightline hört zu
Eine Anlaufstelle, die mir damals sehr weitgeholfen hat, war ein Angebot namens Nightline. Ein anonymes Zuhörtelefon von Studierenden für Studierende so wie in München die Nightline München e.V. Ich kann mich in all den Jahren an kein besseres Gespräch, und ja es gab viele, erinnern, als dasjenige in einer warmen Sommernacht mit einer sogenannten „Nightlinerin“. Da war jemand, der sich Zeit für mich nahm. Nachts um kurz vor 24:00 Uhr. 42 Minuten lang. Jemand, in meinem Alter, der mir zuhörte. Jemand der mich verstand. Ich weiß noch, welche Befreiung mir dieses Gespräch verschafft hat. Ohne einen großen Rucksack ins Bett zu gehen, ist sehr viel wert und lässt die Hürde des nächsten Tages weitaus kleiner erscheinen. Angebote wie die Nightline München leisten einen unverzichtbaren Beitrag, egal wie groß oder klein die Probleme der Betroffenen erscheinen. Sie stellen eine wichtige Ergänzung zu einer professionellen Therapie dar. Es ist schön und wertvoll, dass es Anlaufstellen wie die Nightline München e.V. gibt.
Aus 01/2019 von Marcel Bischofberger (M.Sc. TUM BWL)
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