Passend zur Messewoche mit IKOM und LOIFT im Juni war die Internationale Luft- und Raumfahrausstellung (ILA) am Wochenende davor für private Besucher*innen offen. Die ILA Berlin ist eine der größten Luft- und Raumfahrtmessen der Welt und vermutlich für viele Studierende aus Garching und Ottobrunn interessant.
Der Austragungsort zwischen zwei Startbahnen des Flughafens BER sorgte schon in den ersten paar Minuten für die richtige Stimmung, da man alle paar Minuten entweder rechts oder links der Messe ein Passagierflugzeug starten sehen konnte. Die Messe war über drei große Messehallen, das Außengelände und mehrere private Zelte der Ausstellenden verteilt. Kleiner Tipp, falls in 2024 ein eigener Besuch geplant ist: viel Zeit und bequeme Schuhe mitbringen. Zwei volle Tage haben für mich gerade so gereicht, alles mal gesehen zu haben.
Für Luftfahrt-Begeisterte gab es auf dem ausgedehnten Außengelände eine Menge zu sehen: von kleinen Transportfliegern über riesige Passagierflugzeuge, Kampfjets und Forschungshubschraubern bis hin zu Drohnen aller Formen und Größen hatte die ILA einiges zu bieten. Sogar ein elektrisches Lufttaxi von Volocopter, das schon in den nächsten paar Jahren kommerziell eingesetzt werden soll, gab es zu sehen. Die Messe ist besonders in der Hinsicht ein tolles Erlebnis, dass man solche Prototypen und neue Konzepte normalerweise nicht so einfach zu Gesicht bekommen kann. Dadurch, dass viele Techniker*innen direkt bei ihren Maschinen standen, konnte man sofort alle Fragen loswerden.
Ein großes Thema auf der Messe war, wie zu erwarten, Nachhaltigkeit. Besonders das Thema Sustainable Aviation Fuel (SAF) war bei einigen Ausstellenden zu finden. Airbus zum Beispiel hatte einen Prototypen des Hubschraubers H225 auf der Außenfläche, der mit 100% SAF fliegen soll. Im Moment sind nicht mehr als 50% SAF erlaubt, der Rest muss herkömmliches Kerosin sein. Laut Vertretern von Airbus wird diese 50% Mischung bereits für Transportflüge verwendet. Die Beluga soll ab Bremen schon regelmäßig mit einer SAF Mischung fliegen. Wenn man bei anderen Firmen nachfragt, sieht es etwas weniger optimistisch aus. DHL warb auf der ILA auch mit SAF, betankt aber anscheinend nur einige kleine Transportflugzeuge in den USA mit einer 5% Mischung. Die Möglichkeit von nicht-fossilen Flugzeugtreibstoffen war für mich eine Neuigkeit, allerdings sehr aktuell: Frankreich hat schon jetzt ein Gesetz erlassen, dass die Verwendung von SAF vorsieht: Flüge, die unter 1% SAF verwenden, müssen mehr Steuern zahlen. Die Grenze soll bis 2025 auf 2%, bis 2030 auf 5% und bis 2050 auf 50% steigen.
SAF ist ein Treibstoff, der aus den verschiedensten Rohstoffen hergestellt werden kann: von Pflanzen- über Altöle bis zu Industrieabfällen oder direkt aus Wasser, CO2 und Strom synthetisiert. Über verschiedene Herstellverfahren mit Vorbehandlung, mehreren Umwandlungsstufen und Raffination kann aus nicht-fossilen Rohstoffen ein mit bereits vorhandenen Technologien und Turbinen verwendbarer Treibstoff gewonnen werden. CO2-neutral ist SAF leider nicht, da die Herstellungsprozesse im Allgemeinen viel Energie brauchen und bei der Verbrennung von SAF ähnlich viel CO2 wieder ausgestoßen wird. Die Grundidee ist, dass das ausgestoßene CO2 vor der Verbrennung aus wieder nachwachsenden Rohstoffen oder direkt aus der Luft (Direct Air Capture) gewonnen wird und somit aus einem geschlossenen CO2-Kreislauf stammt statt aus fossilen Rohstoffen. Laut aireg, einer Initiative für Renewable Energy in Deutschland, kann durch die Verwendung von SAF statt herkömmlichen Treibstoffen je nach Herstellungsverfahren der CO2-Ausstoß um 50-90% reduziert werden.
Neben den Ansätzen für mehr Nachhaltigkeit von großen Firmen waren auch einige kleinere Start-ups vor Ort. So zum Beispiel auch Vaeridion mit ca. 10 Leuten, die an einem Flugzeug für elektrisch betriebene Regionalflüge arbeiten, um eine schnelle Alternative zu Zügen für Inlandstrecken zu bieten und mehr Regionen unabhängiger vom Individualverkehr zu machen. Die Idee ist, kleine, bis jetzt wenig genutzte regionale Flugplätze benutzbar für den Fernverkehr zu machen, da das Flugzeug weniger Infrastruktur für z.B. Treibstoff als größere herkömmliche Passagierflugzeuge brauchen soll.
Im krassen Gegensatz zu den vielen Firmen, die mit Nachhaltigkeit werben, standen die vielen täglichen Flugmanöver, die natürlich auf eine andere Art und Weise auch sehr publikumswirksam waren. An den Publikumstagen fanden mehrmals täglich Flugshows von zum Beispiel den Eurofighter, einem militärischen Transporthubschrauber CH-47 Chinook oder dem Transportflugzeug A400M der Bundeswehr statt. Als kurzer Gedankenanschub: der Eurofighter verbraucht in einer Minute ca. 50-150 kg, je nach Geschwindigkeit und Flughöhe. Bei Verwendung des Nachbrenners kann sich der Verbrauch auf bis zu 500 kg/min erhöhen. Bei zwei täglichen Flugdarbietungen des Eurofighters von jeweils ca. 15 Minuten und der fast ununterbrochenen Verwendung des Nachbrenners beläuft sich der Verbrauch nach einer (sehr) groben Rechnung insgesamt auf ca. 4000 bis 12000 kg Kerosin am Tag. Dazu kommt noch der Verbrauch der anderen Flugshows und des Anflugs der Showflieger. Da stellt sich die Frage, wie nachhaltig das Ganze ist. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist das Showangebot allerdings beträchtlich heruntergegangen, dementsprechend war dieses Jahr schon ein Kompromiss zwischen weniger Flugverkehr und Attraktionen für Privatbesucher*innen.
Die Aerospace-Halle hatte eine große Ausstellung zu allen Bereichen der Raumfahrt, von Raketenantrieben über verschiedene Satelliten zu Raumfahrtmedizin. Der Rest der Halle war zu einem großen Teil von Forschungseinrichtungen besetzt, namentlich verschiedene Fraunhofer-Institute und ein großer Stand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das DLR präsentierte eine ganze Reihe an aktuellen Projekten, zum Beispiel eine Roboterhand, die bald schon auf der ISS unter anderem für Reparaturarbeiten eingesetzt werden soll, um die Astronauten von den langen und anstrengenden Außeneinsätzen zu entlasten. In der Nähe konnte man eine Kohlefaserröhre sehen, die Messungen im All außerhalb des elektromagnetischen Felds von Satelliten ermöglichen sollen. Direkt daneben war ein Messgerät aufgebaut, das mithilfe von Laser und einer Spektrumsanalyse die Suche nach Sprengstoff zum Beispiel an Flughäfen erleichtern soll. Oft standen die Projektleiter der jeweiligen Forschungsvorhaben direkt neben den Ausstellungsstücken, um den Besucher*innen detaillierte Fragen zu beantworten. Direkt daneben zeigte ein großer Stand der Fraunhofer-Institute die aktuellen Forschungsthemen. Besonders spannend klang die Suche nach neuen Nozzle-Designs und Materialien, um Additive Herstellungsverfahren zu optimieren ,und die daneben ausgestellten spezialisierten Bauteile für hochpräzise optische Anwendungen.
Neben den Forschungseinrichtungen waren auch viele Industrievertreter*innen vor Ort, für alles von kleinen Komponenten (z.B. Laser für Satellitenkommunikation von TESAT) bis zu Herstellerfirmen von ganzen Satelliten (OHB) oder Raketenmotoren (ArianeGroup). Für Privatbesucher*innen eventuell nicht besonders spannend, aber Studierende aus dem Ingenieursbereich können hier einige Firmen kennenlernen, die ihnen davor unbekannt waren. Für alle Studierenden, die von den ganzen Normen in CAD und Maschinenelemente nicht genug bekommen können: der DIN-Normenausschuss war auch vertreten und hat DIN-Taschen ausgeteilt, in denen man Tabellenbuch, Skripte und Zeichenmaterialien transportieren kann.
Für alle Luft- und Raumfahrt-interessierten Maschinen-bauer*innen ist die ILA trotz der langen Anfahrt nach Berlin auf jeden Fall zu empfehlen. Mit etwas Enthusiasmus für die Themen und Ausdauer für lange Gespräche mit den Ausstellern lassen sich auch gut Kontakte knüpfen, die man danach für Praktika oder Werkstudentenplätze anzapfen kann. Es ist auch nochmal etwas Anderes, mit eigenen Augen sehen und manchmal auch anfassen zu können, wofür man den ganzen Stress des Studiums auf sich nimmt. Neben einem Exemplar eines Vinci Raketenmotors zu stehen, sich in einen Eurofighter zu setzen oder den riesigen Frachtraum einer Beluga von innen zu sehen macht Vorfreude darauf, später hoffentlich selber als Ingenieur*in an solchen Projekten mitwirken zu können
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