über Wissenschaft, Raumfahrtund die Kunst der Vermittlung
Prof. Dr. Ulrich Walter (* 9. Februar 1954 in Iserlohn) ist ein deutscher Physiker und ehemaliger Wissenschaftsastronaut. Bis zu seinem Ruhestand im März 2023 lehrte er an der Professur für Raumfahrttechnik an der TUM School of Engineering and Design der Technischen Universität München. 1987 wurde er als einer der fünf deutschen Wissenschaftsastronauten ausgewählt und flog 1993 mit der Raumfähre Columbia ins All, wo er an rund 90 Experimenten mitwirkte. Nach seiner aktiven Raumfahrtkarriere engagierte er sich in der Wissenschaftskommunikation. In der Lehre und Forschung spezialisierte Prof. Dr. Walter sich auf die Entwicklung von Satellitensystemen für robotische Anwendungen, System-Modellierung und Optimierung, bemannte Raumfahrtsysteme und High Velocity Impact Physics. Sein Lehrbuch Astronautics, ist ein internationales Standardwerk für Raumfahrt. Er führt seinen Lehrstuhl zur Zeit weiter bis seine Nachfolge geregelt ist.
Reisswolf: Was hat Sie dazu inspiriert, Physik zu studieren?
Ulrich Walter: Sie sind jung, Ihnen steht die Welt offen und Sie überlegen, was mache ich jetzt in meinem Leben? Das war meine Situation. Mein Vater, ein Lehrer vom alten Schlage, war wirklich an allem interessiert: Musik, Geschichte und vor allen Dingen Wissenschaften, also auch Biologie und Physik. Er hat mein Interesse an der Welt maßgeblich geprägt. Ich wollte etwas studieren, um die Welt zu verstehen. Das war für mich die Physik. Aber im Prinzip, und das werden Sie vielleicht in zehn Jahren auch sehen, ist es eigentlich egal, was man studiert. Hauptsache, man macht es gerne. Später muss man sich sowieso in alles reinarbeiten.
Wie sind Sie dann schließlich zur Raumfahrt gekommen?
Stellen Sie sich vor: Sie gehen die Einkaufsstraße entlang, haben sich zwei Stunden Zeit genommen und suchen nichts Besonderes. Dann entdecken Sie etwas in einem Schaufenster und sagen: „Ach, das finde ich toll! Dass es das gibt, ist mir neu und es gefällt mir so gut. Das kaufe ich jetzt.” Sie kennen diesen Moment, ja? Genauso war das mit mir und der Raumfahrt. Am 24. Dezember 1985 habe ich im Fernsehen in der Tagesschau einen Beitrag gesehen, in dem der damalige Forschungsminister Riesenhuber neue Wissenschaftsastronauten suchte. Für mich als Wissenschaftler mit Leidenschaft eröffnete sich gerade die Chance, in den Weltraum zu fliegen. Da dachte ich mir: „“Hey, das ist es, das mache ich.” Es war dieser eben beschriebene Window-Shopping-Moment: Ich wusste davor nicht, dass Wissenschaft im Weltraum existierte, doch genau das war es.
Was haben Sie bei Ihrer Mission gemacht?
Bei meiner Mission habe ich Mikro-G-Forschung durchgeführt und war insgesamt zehn Tage im Weltraum mit dem ‚Space Lab‘, dem europäischen Weltraumlabor, an Bord des ‚Columbia Shuttles‘. Die Bedingungen dort oben sind nicht völlig schwerelos, sondern Mikro-G, etwa ein Millionstel der Erdschwere. Bei der Mission war ich insgesamt 10 Tage im Weltraum mit dem Space Lab, dem europäischen Weltraumlabor, an Bord des Columbia Shuttles. Ich war an vielen Projekten beteiligt und das Schöne daran war, dass es sich um Forschung handelte, die auf Mikrogravitation bezogen war – also alles, was von der Schwerelosigkeit profitieren könnte.
Ein Beispiel ist die Materialforschung, insbesondere bei Halbleitern wie Galliumarsenid. Auf der Erde können wir oft
keine großen Kristalle ziehen, weil die Schwerkraft typischerweise Defekte verursacht oder die Oberflächenspannung nicht ausreichend ist. In der Schwerelosigkeit gibt es dieses Problem nicht und wir können deshalb viel größere Kristalle herstellen. Ein Experiment bestand darin zu untersuchen, wie groß Galliumarsenid in der Schwerelosigkeit gezogen werden kann. Und wie wir dieses Wissen anwenden, um Herstellungsprozesse auf der Erde zu verbessern. Dieses Beispiel verdeutlicht den typischen Ansatz: Wir wollen nicht im Weltraum produzieren, sondern mit dem gewonnenen Wissen Prozesse auf der Erde optimieren. Wir haben auch in Bereichen wie Biotechnologie, Materialwissenschaften, Physik und Flüssigkeitsdynamik gearbeitet, einschließlich Untersuchungen zum kritischen Punkt.
Sie haben als Moderator, Autor und Journalist gearbeitet. Wie wichtig ist es für Sie, dass man diese Themen auch für ein breites Publikum zugänglich macht?
Als Vermittler zwischen der komplexen Wissenschaft und dem Bedürfnis des Publikums, mehr darüber zu erfahren, sind der Zugang und die Verständlichkeit für mich absolut entscheidend. Das Publikumsinteresse hat mich angespornt, komplexe Konzepte zu vereinfachen. Über die Jahre habe ich gelernt, meine wissenschaftlichen Kenntnisse allgemeinverständlich zu vermitteln. Dies erfordert, keine Fachbegriffe zu verwenden, sondern Beispiele und Analogien zu finden. Als Physiker habe ich begonnen, nicht nur wissenschaftliche Experimente durchzuführen, sondern mein Wissen über Physik und Kosmologie mit anderen zu teilen. Die Medien wissen das inzwischen und kommen regelmäßig zu mir.
Für meinen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation wurde ich dieses Jahr sogar mit dem ‚Eduard Rein Ehrenring‘ ausgezeichnet. Es gibt wenige Preise, die mir wichtig sind. Doch dieser und der Preis der ‚Goldenen Lehre‘, der von Studenten vergeben wird, die gehören dazu, weil sie zeigen, dass ich etwas Wertvolles weitergeben kann.
Weshalb ist es Ihnen so wichtig, diese Themen den Leuten näher zu bringen?
Nach meiner Mission musste ich viele Raumfahrtevents besuchen, vor allem beim DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Die jungen Leute sahen mich gerne im Space-Suit, also trug ich ihn oft bei Jugendveranstaltungen. Es kam sogar vor, dass Jugendliche nach Autogrammen fragten. Dann, etwa 15 Jahre später, öffnete sich plötzlich diese Tür [zeigt auf die Tür seines Büros], und Leute, die ich überhaupt nicht kannte, standen immer wieder vor mir und sagten: „Herr Walter, können Sie sich erinnern?“ Ich hatte keine Ahnung, bis sie mir ein Autogrammfoto von einer Veranstaltung zeigten und erzählten, dass sie wegen dieser Erfahrung Luft- und Raumfahrt studierten. Das zeigte mir, dass ich tatsächlich Menschen beeinflussen kann. Ich glaube, in diesem Alter, zwischen 13 und 15 Jahren, ist es wichtig, sich für etwas zu begeistern, sei es Wissenschaft, Bücher oder etwas anderes. Wenn ich jemandem dabei helfe, seine Leidenschaft zu finden und zu verfolgen, dann ist das für mich das Beste, was ich tun kann.
Wie hat die Erfahrung als Astronaut Sie verändert?
Ich habe durch die Mission unvergessliche Erfahrungen gemacht, die ich sofort wiederholen würde. Mein Blick auf die Welt hat sich verändert und ich konnte Dinge mit Abstand, in einem größeren Zusammenhang betrachten. Vergleichen Sie es mit dem Gefühl, wenn Sie nach einem Auslandsaufenthalt in Ihre Heimatstadt zurückkehren und sie mit neuen Augen sehen. Ähnlich ist es, wenn man im Weltraum ist. Kontinente ohne nationale Grenzen zu sehen, prägt das Denken. Leider können andere diese Perspektive nicht nachvollziehen, man muss es selbst erlebt haben. Stellen Sie sich vor, Sie erzählen von Ihrem Urlaub in Italien. Sie können von der schönen Landschaft schwärmen, von der köstlichen Küche und der entspannten Atmosphäre. Aber das wahre Verständnis für die Kultur und Lebensweise entsteht erst, wenn man selbst durch die engen Gassen italienischer Dörfer schlendert, den Duft der mediterranen Küche in der Nase hat und die Herzlichkeit der Einheimischen spürt.
Wie viel und was bekommt man als deutscher Astronaut mit von der Zusammenarbeit verschiedener Nationen?
Raumfahrt ist eine hochgradig internationale Angelegenheit, und ich arbeite regelmäßig mit internationalen Raumfahrtorganisationen zusammen. Vor kurzem erhielt ich einen Anruf von der NASA, und ich freue mich, als Bindeglied zwischen Deutschland und der NASA agieren zu können. Ein weiteres Beispiel für internationale Zusammenarbeit ist die ‚Association of Space Explorers‘, eine Vereinigung aller geflogenen Astronauten weltweit. Jedes Jahr treffen sie sich an wechselnden Orten, um Erfahrungen auszutauschen und Projekte zu besprechen. Diese Treffen ermöglichen einen intensiven Austausch über die Grenzen hinweg. Es ist wirklich schön zu sehen, wie Raumfahrt Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zusammenbringt und sie dazu befähigt, gemeinsam etwas zu erreichen.
Wie sehr haben Sie damals der Konstruktion und den Ingenieuren des Space Shuttles vertraut?
Raumfahrt ist zweifellos gefährlich, sie wird im Versicherungsgeschäft als ‚Ultra Hazardous Adventure‘ bezeichnet. Das muss man akzeptieren, wenn man sich als Astronaut bewirbt. Die eigentliche Sorge liegt jedoch nicht bei einem selbst, sondern bei der Familie – wenn etwas passiert, leidet sie darunter. Darum soll das Risiko so gering wie möglich sein. Um das Shuttle sowie seine Konstruktion zu verstehen, wie die Technologie funktioniert, welche Qualitätsstandards gelten und wie Sicherheit gewährleistet wird, ermöglichte die NASA uns Astronauten, eng mit den Ingenieuren und Experten zusammenzuarbeiten. Jedes Shuttle hatte seine eigene Crew, die wir persönlich kannten, wir haben sogar gemeinsam gefeiert. Diese Nähe ermöglichte uns, jeden einzelnen Ingenieur persönlich kennenzulernen, seinen Einsatz und seine Hingabe zu sehen. Sie arbeiteten unermüdlich Tag und Nacht, um sicherzustellen, dass unser Shuttle und wir Astronauten sicher sind. Wir wussten, dass sie ihr Bestes gaben und mehr konnten wir nicht verlangen.
Würden Sie sich in ein Starship von SpaceX setzen?
Ja, sofort. In den deutschen kommt Elon Musk schlecht weg, weil die deutsche Mentalität anders, viel weniger risikofreudig ist. Wir müssen am grünen Tisch alles Mögliche tun, um zu verhindern, dass das ein Projekt daneben geht. Und wenn die europäische Rakete ‚Ariane 5‘ beim Erstflug explodiert, heißt es, wir müssen das ganze Projekt einstampfen, das darf nicht passieren. Elon Musk geht ganz anders vor, er sagt sich: „Ich kann doch nicht am grünen Tisch wissen, ob so ein Ding funktioniert. Im Gegenteil, ich baue jetzt mal eine Rakete, lasse sie fliegen, dann explodiert sie und daraus lerne ich.” Und so hat er es gemacht; er hat sein Starship genommen und ist geflogen, natürlich mit vielen Sensoren für Druck, Temperaturen etc. Er hat die Fehler analysiert, Geld investiert und mehr als tausend Verbesserungen vorgenommen. So kommt man deutlich schneller ans Ziel als mit jahrelanger Planung. Zum Beispiel ‚Ariane 6‘ sollte schon vor sechs oder sieben Jahren fliegen und ist immer noch nicht oben. Fehler sind bei den Deutschen verpönt und wer in der Öffentlichkeit welche macht, ist stigmatisiert. Genau andersherum müsste es sein: Risiken eingehen, Zähne zusammenbeißen, weitermachen. Da kann man von den Amerikanern viel lernen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Raumfahrt an der TUM? Und die der neuen Fakultät der LRG (Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie)?
Überhaupt nicht gut. Ich kann mir leisten, ein ‚offenes Buch‘ zu sein, weil ich ja eigentlich schon im Ruhestand bin. Die TUM ist eine sehr gute Universität, aber in Sachen Raumfahrt sieht es schwierig aus. Als ich hier 2003 anfing, gab es einen Lehrstuhl, der 1966 von meinem Vorgänger Professor Ruppe, Schüler von Werner von Braun, installiert wurde. Sie müssen sich in die 60er Jahre hineinversetzen, damals begann Raumfahrt. Wir Deutschen und die Welt glaubten an die Zukunft, die Zeitungen waren voll davon und es gab eigene Ausgaben für die Apollo-Flüge. Ab den 80er Jahren haben die Deutschen die Raumfahrt nicht mehr wirklich geliebt. Im Jahr 2003 hat sich die TUM dazu überreden lassen, den Lehrstuhl durch mich neu zu besetzen. Das ist dann sehr gut gelaufen, denn ich liebe die Interaktion mit den Studenten. Und die Motivation für die Raumfahrt ist in Bayern groß. Um es mal in konkrete Zahlen zu fassen, allein 50 Prozent der ESA-Finanzierung in Deutschland kommt hier an. Mit dem Wissen um diese Tatsache bin ich zur Uni gegangen und habe gefordert, dass wir unsere Studenten darin mehr ausbilden müssen. Wir haben viele Studenten in der WARR (Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt). Wir müssen ihnen Geld geben, damit sie die Möglichkeiten ihrer Ausbildung nutzen können, um Raketen und Satelliten zu bauen. Ich hatte die Idee eines ‚Space Mission Labs‘, wo alle, mit Raumfahrtleuten auch Elektroniker, Mechaniker, Embedded Electronics zusammengebracht werden, um unsere Studenten an konkreten Satellitenprojekten auszubilden. Da wurde mir gesagt: „Das interessiert uns nicht” – und der Ursprung liegt im Desinteresse der Öffentlichkeit.
Die einzige Unterstützung kam von Markus Söder. Ende 2017, als er noch Finanzminister war, bekam ich einen Anruf und wurde ins Finanzministerium eingeladen. Söder fragte „Herr Walter, was kann ich für die Raumfahrt in Bayern tun?” Drei Dinge habe ich ihm vorgeschlagen. Erstens die bayerische Raumfahrtwirtschaft zu fördern, daher ‚Bavaria One‘. Zweitens eine eigene Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik in Bayern für Leute, die später in die Raumfahrtindustrie gehen. Und drittens ein bayerischer Satellit, um damit Outreach zu haben und zu zeigen, was Bayern in der Raumfahrt kann. Die ersten beiden Vorschläge wurden umgesetzt und waren Bestandteil von Söders Antrittsrede als bayerischer Ministerpräsident am 18. April 2018. Deshalb haben wir hier diese neue Luft- und Raumfahrtfakultät. Das Raumfahrtprogramm Bavaria One findet international gute Resonanz, wird aber von der Öffentlichkeit und den Medien hierzulande nicht so positiv gesehen. Und so tickt auch die TU München, deswegen wird das nie etwas Richtiges werden. Allein wegen der Gebäude-Problematik. Sie haben in Ottobrunn Gebäude angemietet, und dann wurde zwischendurch ein Umzug an den Flughafen geplant. Daraufhin haben viele Leute gesagt, dass sie das nicht mitmachen, und haben einfach ihre Stelle verlassen, vor allem nicht- wissenschaftliche Mitarbeiter. Und dann, ein dreiviertel Jahr später, hieß es, dass die LRG nach Ottobrunn zurückkehrt. Es ist alles ein Durcheinander, wir haben nicht mal ein eigenes Gebäude. Der Einzige, der hinter der Raumfahrt steht, ist der Söder. In den Ministerien und auch an der TU München gibt es keine wirkliche Unterstützung in der Richtung.
Überhaupt besteht in Deutschland und in Europa meiner persönlichen Meinung nach weniger Interesse an Raumfahrt, da wir uns in einer Situation der Übersättigung befinden. Entwicklungsländer betrachten die Raumfahrt als Zukunft, der wir eher mit Furcht begegnen, da wir nicht wissen, was sie bringen wird. Ein Beispiel ist ‚Iris Square‘, eine Satellitenkonstellation, die von den Europäern geplant wird. Aufgrund gestiegener Kosten wird nun überlegt, dieses Projekt zu beenden. Das mangelnde Interesse zeigt deutlich: Wir lieben die Vergangenheit, aber haben Angst vor der Zukunft.
Was ist Ihre Meinung zu der Initiative Bavaria One und wie sehen Sie deren Potenzial für die Raumfahrttechnologie?
Das Ziel von Bavaria One, die bayerischen Raumfahrtfirmen zu unterstützen, nimmt Fahrt auf. Das internationale Renommée und die Unterstützung dringen langsam an die Öffentlichkeit. Heute war die DPA (Deutsche Presse-Agentur) wieder da und es ging um die Benutzung der Iris2 Satelliten durch das Militär, denn Satelliten spielen eine erhebliche Rolle im Krieg. In der Bevölkerung wächst das Bewusstsein, dass Satelliten für die Umwelt – zum Beispiel, um die Meereshöhe zu messen –, für die Kommunikation und auch im militärischen Bereich wichtig sind. In den letzten Jahren beginnt sich die Einstellung zum Thema Weltraum, zu seiner Erforschung und Nutzung, wieder zu verbessern. Gerade auch Ihre, die junge Generation ist positiver der Raumfahrt gegenüber eingestellt.
Wie beeinflusst der Space-Sektor innerhalb des Ingenieurwesens die anderen Ingenieurbereiche?
In meinen Vorlesungen sitzen nicht mehr nur Luft- und Raumfahrtingenieure, sondern tatsächlich Leute aus der Elektrotechnik oder der Physik. Viele Studenten aus anderen Fachgebieten interessieren sich für die Raumfahrt und setzen sich in die Vorlesungen; das nehme ich als sehr befruchten wahr. Unten in den Räumen der WARR sind Leute aus der ganzen TUM, weil sie Satelliten oder Raketen bauen wollen. Der wichtige Punkt bei solchen Projekten ist, etwas mit den eigenen Händen zu tun und konkrete Probleme zu lösen. Das ist viel wichtiger, als nur Vorlesungen zu hören. Um den Studenten diese Erfahrung zu ermöglichen habe ich immer die WARR unterstützt, auch finanziell.
Wenn Sie sich ein weiteres Forschungsgebiet aussuchen könnten, welches würden Sie wählen?
Ich finde Biologie faszinierend. Wie aus dem Informationsspeicher DNA tatsächlich ein Mensch entsteht, die evolutionsbiologische Umsetzungvon DNA. Der gesamte Bereich der Genanalyse interessiert mich sehr, den würde ich wählen. Gerade fasziniert mich auch ein Thema, das dieses Jahrzehnt beherrscht. In der Raumfahrt bin ich an die Robotik gekommen und dort braucht man KI, deswegen betreue ich ein paar Doktorarbeiten darüber. Ich finde KI toll – und dazu gehört auch, ihre Grenzen zu verstehen. Da wird wieder meine Kompetenz als Kommunikator wichtig. Ich halte jetzt viele öffentliche Vorträge über KI, bin im bayerischen Ethikrat, um die bayerische Regierung zu beraten, wie man mit KI umgehen muss.
Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte für die bemannte Raumfahrt und die Erforschung des Weltraums?
Vor meiner Antwort kurz der Hinweis, dass Raumfahrt nur etwa zu 15 Prozent bemannt ist. Mit ca. 6/7 fließt ein Großteil des Geldes in die unbemannte Raumfahrt, weil wir viele Dinge wie Erdbeobachtung so machen können. Die bemannte Raumfahrt ist also nur die berühmte ‚Spitze des Eisbergs‘ und aus zwei Gründen wichtig. Erstens: Wenn wir Dinge im Weltraum reparieren wollen, dann brauchen wir Menschen – also immer dann, wenn Flexibilität gefragt ist. Zum zweiten ist der Astronaut für mich ein Botschafter der Menschheit im Weltall. Die erste ‚richtige‘ Mondlandung war 1969, als ein Mensch einen Fuß auf den Mond setzte – und nicht die unbemannte Landung im Jahr 1967. Wir waren auch schon auf dem Mars, doch erst, wenn ein Mensch den Mars wirklich betritt und zurückkommt, können Sie ihn fragen: Wie war dein Erlebnis da oben? Das kann kein Roboter beantworten. Zu Ihrer Frage: Ich finde das ‚Artemis Programm‘ der Amerikaner für die bemannte Raumfahrt toll. Das Hauptaugenmerk wird auf die Flüge zum Mond gerichtet. Nicht weil er so unbedingt wichtig ist, sondern weil wir langfristig zum Mars wollen und der Weg nur über den Mond geht. Dabei lernen wir zuverlässige Technologien zu bauen. Tatsächlich würde ich auch gerne zum Mond fliegen.
Welche Ratschläge würden Sie jungen Ingenieurinnen und Ingenieuren geben, die eine Karriere in der Raumfahrttechnik anstreben?
Um ehrlich zu sein, würde ich ihnen das Gleiche raten wie meinen beiden Töchtern. Es ist wichtig, das zu studieren, was einem Spaß macht. Nur wenn ich Freude an einer Sache habe, wie beispielsweise an Luft- und Raumfahrt, engagiere ich mich. Ihr werdet feststellen, wenn ihr euren Master habt, arbeitet Ihr häufig in anderen Gebieten. Doch zwischen 20 und 30 habt Ihr etwas getan, was euch erfüllt hat und nehmt dieses Gefühl in den Beruf mit. Etwa die Hälfte meiner Studenten geht in die Luftfahrt, doch bis zu 50 Prozent gehen auch in die Automobil- oder andere Branchen. Und werden dankend genommen, weil bekannt ist, dass die Studenten in der TU München toll ausgebildet werden.
Was fasziniert Sie jetzt, nach vielen Jahren, immer noch an der Raumfahrt und am Weltraum insgesamt?
Das Tolle an der Raumfahrt ist, dass Sie gezwungen werden, immer an die Grenzen des Möglichen zu gehen. Das macht mir am meisten Spaß. Ein alltägliches Beispiel: Wenn ich in mein Büro fahre, dann nehme ich oft andere Wege, manchmal auch irgendwelche Waldwege. Es hat mich immer schon gereizt, Dinge anders und besser zu machen. In der Raumfahrt geht es nur so. Nehmen wir die Kosten, die waren bisher zu hoch und mussten niedriger werden. Also war es gut, dass Elon Musk gezeigt hat, wie und mit welchen Materialien man die Preise drückt. Er hat ein ganz anderes Launchpad gebaut als die NASA. Nachdem er mit seiner ersten Starship-Rakete sein Launchpad zerstückelt hat, hat er mit kostengünstigeren, neuen Materialien ein Launchpad hergestellt und eine super Lösung gefunden. Die Maxime ist: Immer wieder neu anfangen, ganz von vorne. Erstmal alles wegnehmen, später kann man manche der alten Dinge wieder reinholen, die doch nicht so schlecht sind.
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