Mit kreisenden Bürsten fährt der kleine Staubsaugroboter seine Bahnen. Pflichtbewusst entfernt er jeden Staubkorn auf seinem Weg vom Boden im Haus meiner Eltern. Meine beiden kleinen Brüder haben ihn wegen seiner tiefschwarzen Farbe, seiner Determination und seines tiefen Brummens „Batman“ getauft. Einmal ist Batman die Treppe hinuntergefallen und das Geräusch wie er auf den Stufen aufschlug, erzeugte bei uns Gänsehaut. Er sah auch ganz elend aus, wie er am Fuß der Treppe auf den Rücken gedreht dalag und mit seiner letzten Kraft die Bürstenarme rotierte. Ihm war nichts passiert, trotzdem verbrachte er den Rest des Tages verschreckt auf seiner Dockingstation. Batman ist süß, pflichtbewusst, goldig… Alles Adjektive, die man eher einem Menschen zuordnen könnte als einem Roboter.
Während vor einigen Jahren Roboter nur in Fabriken zu finden waren, so lassen wir uns heutzutage in allen möglichen Bereichen von unseren elektronischen Freunden helfen. Im Umgang miteinander haben wir im Laufe der Zeit Konventionen, Verhaltensmuster und Umgangsformen erarbeitet. Aber einen Knigge für Roboter gibt es nicht und wir wissen nicht so recht, wie wir uns gegenüber Robotern verhalten sollen. Dabei gibt es so viele Bereiche, in denen wir Menschen mit Robotern interagieren müssen. Ein Beispiel dafür ist das Militär. Mark Tilden von der Los Alamos National Laboratory hat lange an einer Lösung der Entschärfung von Landminen gearbeitet. Ein insektenförmiger Roboter soll durch ein Minenfeld laufen und Minen auslösen, indem er darauf tritt. Explodiert eine Mine, wird ein Bein des Roboters weggesprengt und er setzt seinen Weg mit den verbleibenden Beinen fort. So lange, bis er sich nur noch mit einem Bein über das Feld zieht.
Das muss mitleiderregend sein, wenn man dem armen Roboter zusieht, wie er sich mit letzter Kraft und seinem einzigen verbleibenden Bein über das Minenfeld schleift. Dem Ende entgegen tapfer seine Pflicht erfüllt. Aber im Endeffekt ist es ein Roboter, nichts als ein paar Bauteile mit der entsprechenden Software. Wiederproduzierbar, ersetzbar. Bei einem Militärtest war der Entwickler Tilden begeistert von seinem Erfolg, alles funktionierte einwandfrei und der Roboter entschärfte Minen, so wie er sollte. Doch dann brach der Colonel, der für diesen Test zuständig war, den Versuch ab. Er gab an, das Experiment war unmenschlich. Geht das? Unmenschlich zu Robotern zu sein? Eigentlich sollte man als Mensch die Distanz wahren können, wenn man weiß, dass es ein Roboter ist, der seinen Zweck erfüllt. Mit jedem Bein, das dem Roboter weggesprengt wird, rettet er ein Menschenleben. Sollte das nicht Grund genug sein, Abstand zu wahren? Eigentlich schon und doch fühlen Soldaten im Militär mit ihren Robotern mit. Sie geben ihnen Namen und verleihen ihnen sogar Ehrenmedaillen. Die Roboter sind Teil eines Teams.
Als Teammitglied akzeptieren wir Roboter, wir mögen und schätzen sie. Aber auch weit weg von militärischen Übungsplätzen finden sich Roboter, die in Kontakt mit Menschen stehen. Eine ganz besondere Anwendung sind Therapieroboter für Kinder mit Autismus. Sie konnten sich mit dem Roboter KASPAR in Unterhaltungen üben. Die Kinder haben Schwierigkeiten, Emotionen zu erkennen, Gespräche zu interpretieren und Gesichtsausdrücke zu erkennen. Mit diesem Roboter können sich die Kinder in Gesprächsführung üben ohne zusätzliche Herausforderungen wie Doppeldeutigkeit oder Mimik. Viele dieser Kinder haben eine emotionale Beziehung zu dem Roboter aufgebaut. Eine Art Freundschaft. Und das hat ihnen geholfen, auch mit ihren menschlichen sozialen Kontakten besser zu kommunizieren. Klingt erst einmal ganz gut, doch es gibt auch Bedenken. Die Philosophieprofessorin Alexis Elder von der Universität in Minnesota Duluth befürchtet, dass die Kinder zu abhängig von diesen „falschen Freunde“ werden könnten. Man soll das Potential nutzen, aber darauf bedacht sein, das wirklich Menschliche nicht zu vernachlässigen.
Wenn sich etwas bewegt, dann empfinden wir automatisch etwas. Das liegt an unseren Instinkten. Je mehr uns dann der Roboter im Verhalten oder anatomisch ähnelt, desto vertrauter werden wir mit ihm (siehe Diagramm). Man würde meinen, dieses Verhältnis würde linear ansteigen, jedoch gibt es einen großen Vertrautheitsverlust bei Robotern, die dem Menschen sehr ähnlich, aber nicht ähnlich genug sehen. Das ist das sogenannte “Uncanny Valley” im Diagramm. Die Erklärung dafür ist, dass wir bis zu einem bestimmten Punkt von einem Ding ausgehen, in dem wir menschliche Eigenschaften sehen, was dieses Ding sympathisch macht. Der Staubsaugroboter ist in jeder Hinsicht ein Ding, aber die Art wie er aufgeregt piepst, wenn er Hunger nach Strom hat, macht ihn niedlich. Ist der Roboter aber zu menschenähnlich, dann erwarten wir einen Menschen, aber finden etwas vor, was vorgibt ein Mensch zu sein, aber den Mund etwas komisch bewegt und seltsam redet. Wir können also mehr Empathie für abstrakte Roboter mit menschlichen Fähigkeiten empfinden als für menschliche, aber nicht ganz menschliche Roboter.
Ob nun Militärroboter oder Pflegeroboter, ob sympathisch oder nicht: Es bleibt die Frage, wie wir uns gegenüber Robotern verhalten sollen. Wenn wir unsere Kinder und Großeltern in der Obhut von Robotern lassen, in dem Glauben, jemand kümmert sich um sie, vernachlässigen wir unsere sozialen und familiären Pflichten? Wenn wir kein Problem damit haben, einen Roboter mit dem Fuß zur Seite zu stoßen, sinken unsere Hemmungen gegenüber Menschen? Diese Fragen sind wichtig und wir sind verwirrt, wie wir uns gegenüber Robotern verhalten sollen. Wir fragen uns, ob wir sie wie Menschen oder wie Dinge behandeln sollen und sind verunsichert, weil keine der beiden Herangehensweisen zu passen scheint. Das ist so, weil auch keine der beiden Herangehensweisen passt. Die Generation nach uns, die jetzt noch Kinder sind, wachsen mit Robotern zusammen auf. Sie haben ein Gefühl dafür und behandeln sie weder wie Menschen noch wie Dinge. Sie behandeln sie wie Roboter. Und das sollten wir auch. Denn ein Roboter ist definitiv kein Ersatz für einen Menschen, aber auch kein einfaches Spielzeug. Die heutigen Erwachsenen kennen Roboter nur aus Büchern und Filmen wie zum Beispiel den depressiven Roboter Marvin aus “Per Anhalter durch die Galaxis”, bei dem auch keiner so recht weiß, wie man ihn behandeln soll. Aber die zukünftige Generation wird es wissen und Roboter werden in Zukunft einen eigenen Platz in der Gesellschaft haben. Und wenn man sich jetzt als Mensch fragt, was man denn tun soll, dann gibt es eine einfache, allumfassende Antwort: 42.
Aus 06/18 von Elene Mamaladze
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