Wir als Ingenieurinnen und Ingenieure werden die Welt verändern. Was wir bauen, das wird unser Leben prägen. Unsere Forschung wird Türen öffnen. Wir haben es in der Hand, wie die Zukunft aussieht. Lass uns darüber sprechen, wo es hingehen soll.
Was würdest du machen, wenn du 160.000 Euro gewinnst? Das ist eine Menge Geld! Vielleicht den Tesla Model X kaufen? Oder eine Weltreise machen? Was aus dem prall gefüllten Katalog der gepflegten Erste-Welt-Luxusgüter soll es denn sein?
Und tatsächlich: Du hast mit einem abgeschlossenen Ingenieurstudium genau diese Geldsumme geschenkt bekommen: 160.000 Euro. Nur halt nicht in Geldform. Die Schulbildung eines jeden einzelnen von uns hat die Gesellschaft laut Statistischem Bundesamt 90.000 Euro gekostet und nochmal 70.000 Euro für das Ingenieurs-Studium.
Und jetzt stelle dir die gleiche Frage nochmal: Was würdest du machen, wenn du 160.000 Euro gewinnst? Und vielleicht bemerkst du, dass das genau die Frage ist, mit der du dich beschäftigen wirst, wenn du mit dem Studium fertig bist. Auch, wenn du es vielleicht gar nicht bemerkst. Nämlich: Wo möchtest du in Zukunft arbeiten? Wie investierst du dein geistiges Guthaben?
In meinem fortschreitenden Studium habe ich mir genau dieselbe Frage gestellt. Wie wähle ich meinen zukünftigen Arbeitgeber aus? So fragte ich Professor Harald Lesch. Ich hatte das Glück, im Sommer 2018 im Rahmen meines Fachschaftsengagements ein Interview mit ihm führen zu dürfen. Professor Harald Lesch ist Astrophysiker, Medienprofi und Philosoph. Er sagte zu mir: „Im Grunde ist es völlig klar, wie man die Berufsentscheidung treffen muss. Doch manchmal passiert es, dass man abgelenkt wird. Zum Beispiel von exorbitant hohen Gehältern.“ Er erklärte, letztendlich komme es auf den morgendlichen Blick in den Spiegel an. Denn dort merke man, ob man mit sich selbst im Reinen ist. Und ob man sich mit dem, was man in seinem Beruf macht, mit gutem Gewissen identifizieren kann.
Ich habe es ausprobiert – den morgendlichen Blick in den Spiegel. Und naja, was soll ich sagen – das Spiegelbild überzeugte mich eher davon, dass Vorlesungen um 8 Uhr morgens eindeutig zu früh sind. Aber der Gedanke blieb hängen.
Wir können es nicht bestreiten: Wir als Ingenieure haben eine besondere Verantwortung. Denn was wir bauen, das prägt die Welt. Warum passieren Dinge in der Welt – positive wie negative? Die Antwort darauf ist einfach: Sie passieren, weil sie jemand macht. Wenn sie nicht gemacht worden wären, dann wären sie so nicht passiert. Kausalität nennt man das. Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Und wir sind die Ursache.
Es gab Ingenieure, die haben die Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen gebaut, die Atombombe entwickelt oder den Fiat Multipla konstruiert – das wohl hässlichste Auto der Welt. Und dann gab es die reflektierten, die wirklich guten Ingenieure, die ihre Aufgabe in der Welt ernst genommen haben. Ihnen ist zu verdanken, dass wir Brücken bauen oder über Telekommunikation Kontinente überwinden können. Der Autor und Hochschullehrer Steven R. Covey beschreibt den Vorgang in seinem Buch „The 7 Habits of Highly Effective People“ mit dem Satz: „Begin with the end in mind“. Um das richtige Ziel zu erreichen, muss man jetzt die eigenen Handlungen überdenken. Wenn die Leiter der Lebensentscheidungen nicht an der richtigen Wand anliegt, wird jeder weitere Schritt dich weiter vom Ziel entfernen.
Du bist in einer tollen Situation, denn man wird sich um dich bemühen. Du wirst wählen können – dein Leben lang – und in deiner Entscheidung liegt eine Macht. Eine Macht, bei bestimmten Unternehmen eben nicht zu arbeiten. Weil sie zerstören, verleumden, kaputt machen. Im Gegensatz zu Unternehmen, die Leben bringen, etwas Gutes gestalten, die Welt ein bisschen besser machen. Du kannst eine Qualitätsnorm setzen, denn wir sind die Ingenieure von heute und morgen! Wir sind die, die eine nachhaltige Entwicklung nicht nur einfordern, sondern einfach machen. Deswegen fordere ich von dir und von uns: Mehr Selbstbewusstsein! Wir können unser Zuhause, unsere Erde, unsere Zukunft selbst gestalten! Das einzige, was wir tun müssen, ist zu überlegen, was wir tun und was wir lassen. Bei welchem Unternehmen wir unser Talent einbringen möchten und bei welchen eben nicht.
Fangen wir heute damit an: Woran baust du gerade? Woran möchtest du eigentlich bauen? Wir sollten hin und wieder einen Schritt zurücktreten. Abstand gewinnen. Emotionen, Mitgefühl und Intuition zulassen. Und hin und wieder mal einen Blick in den Badezimmerspiegel werfen und sich fragen: „Wo gehe ich hin? Und wo will ich hingehen?“ Denk mal darüber nach! Sprich mal darüber! Heute! Damit du am Ende sagen kannst: „Ja, diese 160.000 Euro waren sinnvoll investiertes Geld.“ Und dass du in den Spiegel schauen kannst, mit einem Lächeln. Dass das, was du tust, voller Sinn ist und dich erfüllt!
Aus 02/2020 von Ferdinand Elhardt und Kathrin Mosler
Schöner Artikel und guter Gedankenanstoß! Vielen Dank 🙂