Bauer baut Baumaschinen

Der Lehrstuhl für Maschinenelemente sowie der Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik organisierten am 24. April eine Exkursion zur Firma Bauer in Schrobenhausen.

Wer von uns stand denn nicht als kleines Kind mit großen, leuchtenden Augen an einem Baustellenzaun und hat die riesigen, dröhnenden, starken Baumaschinen bewundert? Oder hat als angehender Maschinenbauer während des Heimwegs versucht, verstohlen einen Blick auf die Galileo-Baustelle zu erhaschen – im Herzen immer noch das begeisterte und neugierige Kind von damals?

Baustellenfahrzeuge sind schon etwas Tolles. Nicht nur Kräne, Betonmischer und Bagger sind faszinierend. Auch Bohrmaschinen beeindrucken mit ihrer Größe – und ihrem Können.

Kann das Fundament eines Hauses nicht direkt in den Boden eingelassen werden, weil der Boden dafür nicht geeignet ist, müssen erst Betonsäulen in den Boden eingegraben werden, die das Haus später tragen werden. Solche Betonsäulen brauchen erst einmal ein Loch. Und solche Löcher bohren Bohrmaschinen. Und solche Bohrmaschinen baut die Firma Bauer.

Gegründet wurde Bauer 1790 als Kupferschmiede. Die erste Mission von Bauer war der Brunnenbau. Damals bohrten sie anstatt der meterhohen Maschinen noch mit einem Dreibein über dem Loch. 1956 richtete sich das Unternehmen auf Spezialtiefbau aus, wie etwa auch Dammbau oder Unterwasserbohren. Der Durchbruch erfolgte 1958 mit der Erfindung des Injektionszugankers auf der Baustelle des BRs in München. Der Injektionszuganker ist ein Haken, mit dem große Metallbleche an Baugrubenwänden befestigt werden, um diese vor Einstürzen zu sichern. Seitdem ist Bauer durch Übernahmen konstant gewachsen.

Und wir kleine Maschinenbauer dürfen diesem Riesen einen Besuch abstatten. Schon vor dem Eingang bleiben wir stehen, um von der ersten Bohrmaschine ein Foto zu machen. Wie sich später herausstellt, war es eine der kleineren. Wir werden von Alexander Weigl empfangen, der als Ingenieur in der Entwicklung und Konstruktion tätig ist. Er erzählt uns vom Unternehmen und natürlich auch von dem, was Bauer macht: Bohrmaschinen.

Im Bereich der Lochbohrgeräte gibt es die Premium Line und die simplifizierte Value Line. Letztere ist weniger leistungsfähig, aber besonders für leicht zu bohrende Böden geeignet, weshalb sie besonders in Asien Abnehmer findet.

„Wenn Sie so eine Maschine sehen, wissen Sie gleich, was sie macht: Sie bohrt Löcher in den Dreck“

„Wenn Sie so eine Maschine sehen, wissen Sie gleich, was sie macht: Sie bohrt Löcher in den Dreck“, meint Herr Weigl. Ja, sie bohrt Löcher in den Dreck, aber große! Das am meisten verbreitete Verfahren, um tiefe Löcher zu bohren, ist das Kellyverfahren. Am unteren Ende der sogenannten Kellystange befindet sich ein Schneckengewinde, am oberen Ende ist sie am Mast der Bohrmaschine befestigt. Kellystangen können bis zu 38m lang sein und 40 Tonnen wiegen. Um sie auf ferne Baustellen transportieren zu können, werden sie auf Containermaße gefertigt und erst vor Ort zusammengeschweißt. Die meist teleskopische Stange treibt Löcher in den Boden, Ladung für Ladung wird die Erde aus dem Loch gehoben. Zur Stabilisierung der Wände werden Rohre während des Vorgangs gleich mit im Boden versenkt. In die frisch gebohrte Bohrung wird ein Stahlgerüst abgelassen und anschließend mit Beton gefüllt. Die Außenrohre werden noch vor Verfestigung des Betons herausgezogen und können wiederverwendet werden. Das Schneckengewinde der Kellystange muss immer wieder in den Boden eindringen, Erde aufnehmen, diese rausheben und abladen. So schön die Kellystange auch aussieht, das Verfahren ist etwas ineffizient. Mit dem Verfahren schafft ein Bohrer nur ein bis zwei Löcher pro Tag.

Das Single-Pass-Verfahren schafft deutlich mehr: Bis zu zehn Löcher können an einem Tag ausgehoben werden. Auch hier gibt es ein Schneckengewinde, das sich in den Boden schraubt, aber anders als beim Kelly-Verfahren, wird die Bohrung in einem Zug gemacht. Während die Schnecke Erde heraushebt, wird die Bohrung direkt mit Betonaufgefüllt, das über einen Kanal an der Stange nach unten befördert wird. Ein „sexy Verfahren“ laut Alexander Weigl.

„sexy Verfahren“

Beim Fräsen gräbt sich ein Fräseraufsatz in die Erde. Um ein Einfallen der Wände zu verhindern, wird das Bohrloch mit Bentonit gefüllt. Bentonit wird als Dichtmittel, als Gleitmittel für den Fräser und als Stützflüssigkeit für die Bohrung verwendet. Später beim Ausbetonieren der Bohrung drückt der noch flüssige Beton das weniger dichte Bentonit nach oben und füllt von unten her das Loch aus. Diese Technik soll auch für den Bau der zweiten Stammstrecke eingesetzt werden. In der Zukunft. Irgendwann.

„Wir sind groß, gelb und schwer“

„Wir sind groß, gelb und schwer!“ Das Motto von Bauer zeigt sich bei der Gestaltung ihrer Maschinen. Lochbohrgeräte gibt es in verschiedenen Ausführungen, bei allen hängt jedoch das Bohrgerät am Mast. Dieser Mast ist am Oberwagen befestigt, der sich um den Unterwagen – also das Kettenfahrwerk – dreht. Es gibt zwei Arten, den Mast mit dem Oberwagen zu verbinden: Bei V-Geräten kippt der Mast nach vorne und das Bohrgerät wird für den Transport in zwei Teile zerlegt. Einfach wird der Transport dadurch nicht, denn für die größte Maschine mit einem Einsatzgewicht von 230t werden immer noch bis zu zwölf Tiefladertransporter benötigt. Bei den filigraneren H-Geräten schwenkt der Mast nach hinten und können in einem Stück transportiert werden. Der Hintergrund dieser Namensgebung ist unglaublich kreativ: V steht für vorne und H steht für hinten.

Die ganze Kraftübertragung erfolgt über Hydraulik. Und zwar nicht über die kleinen dünnen Plastikschläuche, die wir aus unserem IT-Praktikum kennen. Nein, diese Schläuche sind faustdick und meterlang. Und hier für euch noch ein paar Zahlen:

Die Nummerierung geht nach Leistung, also hat das „BG 55“ 550.000 Nm Drehmoment an der Stange. Bei besagter Maschine beträgt der Bohrdurchmesser 2m, das Einsatzgewicht ist 210-220 T und es kann bis zu 50m tief gebohrt werden. Das sind schon ganz andere Dimensionen als bei unserem kleinen, zweistufigen Getriebe für ME.

So ein Schwergewicht verbraucht natürlich auch einiges an Treibstoff. Und genau wie bei Autos auch, gibt es für Baumaschinen auch Abgasregulierungen. „Und im Gegensatz zu gewissen Autoherstellern, halten wir uns auch daran“, bekräftigt Alexander Weigl.

Wenn man sich bei Bauer umschaut, sieht man bis auf die nette Dame am Empfang kaum Frauen. „Bauer sucht Frau“, wird uns bestätigt und das nicht nur auf RTL II.

Auf der Hausaustellung draußen im Innenhof des Gebäudes stehen wir den gigantischen Maschinen direkt gegenüber. Gelb glänzt und glitzert es in der Sonne. Wie Narben ziehen sich die Schweißnähte über die Maschinen und lassen sie noch mehr bad ass aussehen, als sie sowieso schon sind. In eine der Maschinen dürfen wir uns sogar ins Führerhäuschen setzen. Besonders auffällig ist, dass hier alles mit Piktogrammen beschriftet ist. Viele Arbeiter auf Baustellen können nicht lesen oder kein Deutsch und brauchen das, um die Maschinen richtig bedienen zu können. Neben den Riesen sieht der Riemenkran als historisches Artefakt aus dem 19. Jahrhundert fast ein wenig verloren aus. Im Kontrast sieht man erst, was für ein Fortschritt gemacht wurde und in was für kurzer Zeit.

Gestärkt von dem guten Mittagessen fahren wir ins Werk nach Aresing. Mit Sicherheitsschuhüberzügen, Helm und leuchtend orangener Warnweste ausgerüstet gehen wir durch die Hallen. Beim Gehen fühlt man sich wie in Clownsschuhen. Wir sind bestimmt ein lustiger Anblick. Schritt für Schritt werden hier die Maschinen zusammengesetzt. Jeder Oberwagen erfordert etwa drei Wochen Bearbeitungszeit, er bleibt immer am gleichen Ort, das Material wird zum Stellplatz gebracht. Nach fünf Wochen ist das gesamte Bohrgerät fertig. Bei der BG 72, ein „Riesending“ und das größte Bohrgerät von Bauer, steigt die Montagezeit aber auf Monate. Die Werkskapazität in Aresing ist 52 Geräte im Jahr, geplant sind in Zukunft 58, Prototypen inklusive.

Auf einem abgesteckten Teil des Geländes befinden sich die Teststrecke und das Trainingsgelände. Dort muss jedes fertige Bohrgerät Testläufe der eigenen Qualitätsabteilung absolvieren, bei Prototypen werden sie vom Auftraggeber getestet. Gleich daneben ist die Fahrschule. So einen Koloss mit meterhohem Mast zu fahren ist gar nicht so einfach. Vorwärts, rückwärts, Rampe hoch und bohren. Um ein Gefühl zu bekommen, machen die angehenden Bohrfahrzeugfahrer den sogenannten Umsturztest. Sie sollen den Mast so weit bewegen, bis sie denken, dass er umfällt. Wenn dann der Mast bedrohlich ausschwenkt, dann war es zu viel. Umfallen wird er aber nicht – auf dem Fahrschulgelände ist alles gesichert.

Während der Führung erzählen uns Herr Heggmeier und Herr Dr. Ziegler von kuriosen Bestellungen. Irgendwo auf dem Gelände befindet sich ein ehemaliger Unterwasserbohrer. Entworfen und gebaut, um eine einzige Bohrung in seinem ganzen Leben zu bohren. Ein Loch für ein experimentelles Gezeitenwerk vor der Küste Schottlands.

Ein anderer besonderer Auftrag war die Bestellung einer Bohrmaschine komplett in pink. Sie sollte in einer Mine eingesetzt werden und eine besondere Warnfarbe haben. Die Lackiererei von Bauer hat natürlich auch diesen Kundenwunsch erfüllt. Aber meistens wird es doch die Standardlackierung in gelb und blau. Warum fast alle Baufahrzeuge gelb sind, liegt daran, dass gelb und blau die Firmenfarben von Bauer sind. Zuerst werden die Bauteile, die bis zu 70m lang und 4,5m breit sein können, sandgestrahlt. Als nächstes werden sie aufgehängt, ein bisschen wie in der Tal- oder Bergstation einer Seilbahn, und durch die Lackierstraße gefahren. Eine kleine Wellnesskur für die Maschinen. Das kann bis zu 24 Stunden dauern. Der Lack soll nicht nur schön aussehen, er dient auch dem Korrosionsschutz.

Am Ende der Führung angekommen, wollen wir wissen, ob man den Unterwasserbohrer, der nur einmal zum Einsatz in Schottland kam und nun am Gelände rumsteht denn kaufen und mit nach Hause nehmen könne. Leider reicht da die Erhöhung vom BAföG-Satz nicht ganz. Bevor wir gehen, wird uns noch eine letzte Weisheit für unsere zukünftige Ingenieurskarriere mitgegeben: „Bohrplätze müssen verdichtet sein!“

Aus 03/2018 von Marcus Dürr und Elene Mamaladze

Autoren

1 Kommentar

  1. Hi, ich wünschte der Artikel wäre noch etwas länger und ausführlicher. Aber man kann nicht alles haben. 😉 VG

    Antworten
Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Völlig losgelöst

Völlig losgelöst

Messebesuch auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA 2024 in Berlin Die diesjährige ILA steht ganz im Zeichen der Zeit: Ein großer Teil der Aussteller ist aus der Rüstungsindustrie. Noch vor dem Einlass bekommt man gleicheine Ausgabe des Military...

Ein Gespräch mit Ulrich Walter

Ein Gespräch mit Ulrich Walter

über Wissenschaft, Raumfahrtund die Kunst der Vermittlung Prof. Dr. Ulrich Walter (* 9. Februar 1954 in Iserlohn) ist ein deutscher Physiker und ehemaliger Wissenschaftsastronaut. Bis zu seinem Ruhestand im März 2023 lehrte er an der Professur für Raumfahrttechnik an...

Space Debris

Space Debris

Against common intuition, space isn’t empty; it’s packed with junk. But what threats does space junk pose? What is the current situation? And what can be done in response to possible threats? All man-made objects placed into the Earth orbit that serve no function are...

[mailpoet_form id="1"]