Styling, Spielzeug und Seehasen – und was die drei mit Wissenschaft zu tun haben

Als Maschinenbauer hat man bei einem Blick auf die Laufbahn eine ziemlich gerade Linie. Auf ein gutes Abitur und einer Schullaufbahn, die geprägt ist von guten Noten in Mathe und Physik, folgt die Aufnahme auf die Technische Universität München und der Start in den Bachelor. Drei Semester Technische Mechanik und Höhere Mathematik später, nach einem Praktikum und einer Bachelorarbeit hält man stolz seinen ersten Abschluss in den Händen. Darauf lässt man es nicht beruhen und folgt seiner Bestimmung in einen Master seiner Wahl. Und nach einem langen Studium darf man sich dann endlich M. Sc. vor den Namen schreiben. Bleibt man in München landet man vielleicht bei BMW und konstruiert den Rest seines Lebens den rechten vorderen Blinker. So hat man das Bild des Maschinenbauers vor Augen. Den stereotypen Maschinenbauer gibt es so nicht mehr! Wir leben in einer sich ständig bewegenden Welt und man kann Berufe kaum noch scharf voneinander abgrenzen. Es gibt Wege, die vom Maschinenbau kreuz und quer ganz wo anders hinführen. Drei starke Frauen, die an der Abzweigung am Ende des technischen Studiums eine ganz andere Richtung eingeschlagen haben und am Ende an einem Ort angekommen sind, den sie sich nicht hätten vorstellen können, stelle ich euch hier vor.

Anna Rothschild

Mit dem Ausruf “Ew!” beendet Anna Rothschild ihr Video. Auf ihrem Youtube-Channel Gross Science redet sie über alles, worüber andere nicht reden wollen. Es sind die schleimigen, stinkenden, kriechenden, ekligen Themen, die Anna am Herzen liegen. Bei ihr geht es um die stechende Waffe des Stinktiers, öffentliche Toiletten oder Kängurupupse. Als sie ihr Studium begann, hätte sie sich das nicht vorstellen können.

Sie besuchte die Brown Universität und machte zuerst ihren Bachelor in Biologie und beendete ihr Studium mit einem Master in Wissenschaftsjournalismus. Heute arbeitet sie als Wissenschaftsjournalistin sowie multimedia producer und produziert unter anderem ihre Youtube-Show “Gross Science”. Ihr Ziel damit ist es, Tabus bezüglich ekliger Themen zu beseitigen und zu zeigen, dass auch eine schleimige Kröte schöne Seiten haben kann.

Als Kinder haben wir noch kein Ekelgefühl und sind neugierig auf alles, was wir in die Hände bekommen. Ob es nun ein Spielzeug ist oder Matsch. Mit der Zeit versuchen wir die Grenzen auszutesten und ernten mit Rülpswettbewerben missfallende Blicke von Erwachsenen. Und wenn wir dann erwachsen sind, rümpfen wir über alles die Nase. Unser Ekelgefühl überträgt sich auf unsere Moral. Das, was wir eklig finden, sind vor allem Dinge, die uns daran erinnern, dass wir doch bloß Tiere sind. Körperflüssigkeiten oder körperliche Bedürfnisse. Daran wollen wir nicht erinnert werden und so werden diese Themen zu Tabuthemen. So Annas Theorie.

Sie ermutigt über das offensichtlich schleimig-eklige hinweg zu sehen, um die Schönheit dahinter zu entdecken. So wie es der Nobelpreisträger Eric R. Kandel getan hat. Er hat die Meeresschnecke Aplysia, auch Seehasen genannt, untersucht. Auf den ersten Blick ist der Seehase sehr abschreckend. Sie kann nicht nur ihre Feinde mit lila Tintenwolken abschrecken, sondern hat auch eigenartige Fortpflanzungsmethoden. Die Schnecke ist zwittrig und hat sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsteile. In der Paarungszeit bilden die Schnecken lange Schlangen und können gleichzeitig vorne befruchten und von hinten befruchtet werden. Hätte Kandel nicht über diese seltsamen Eigenarten der Schnecke hinweg gesehen, dann hätte er nicht ihr außergewöhnliches Nervensystem entdeckt. Die Aplysia hat besonders große und nicht übermäßig komplizierte Neuronen, die besonders gut geeignet ist für die Forschung zum Beispiel zum Lernen auf zellulärer Ebene. So gut, dass sie sogar mit einem Nobelpreis gewürdigt wurden. Wenn ihr also von irgendetwas seltsam komisch ekligem aufgehalten werdet: Augen zu und durch! Vielleicht steckt ja ein Regenbogen dahinter.

Debbie Sterling

Als eine von einer Handvoll Mädchen begann Debbie Sterling ihr Maschinenbaustudium in Stanford. Trotz ihrer Motivation und ihrer Hingabe hatte sie immer das Gefühl, nicht so recht dazu zu gehören. Alle Professoren und die meisten ihrer Kommilitonen waren männlich und es schien, dass sie schon von Kindheit an auf dieses Studium vorbereitet wurden. Sie haben mit Lego gespielt und Spielzeugautos auseinander gebaut, während Debbie in ihrem Tutu eine Teeparty für ihre Puppen veranstaltete. Zu dem Zeitpunkt wusste sie aber nicht, dass ihr das in Zukunft ein Nachteil sein würde.

Mit ihrem Abschluss in der Hand arbeitete sie erst ein paar Jahre bis sie ihre Bestimmung fand. Sie wollte Mädchen dieselben Chancen bieten wie Jungs und gestaltete ein technisches Spielzeug für Mädchen. Sie verbrachte viele Nächte in ihrer Garage bis sie bereit war, es der Welt zu präsentieren. Das Spielzeug besteht aus verschiedenen Elementen, die man zusammenfügen muss, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Das Spiel beinhaltet ein Buch. Die Hauptperson Goldie Blox erlebt darin Abenteuer, in denen sie Aufgaben bewältigen muss. Und diese Aufgaben werden mit den beigelegten Elementen gelöst. Das Spiel soll Fähigkeiten vermitteln “alles zu bauen, was man sich vorstellen kann”. Stolz auf ihr Lebenswerk ging sie los, um ihr Spielzeug zu vermarkten. Sie besuchte eine Spielzeugmesse nach der anderen und fand überall nur weiße alte Männer, die sie auslachten. Das würde sich niemals verkaufen, sagten sie. Und so startete sie ein Kickstarter Projekt. Innerhalb von vier Tagen hatte sie ihr Ziel erreicht! Heute kann man GoldieBlox in vielen Spielzeugläden kaufen. Debbie hat nicht nur einen für Ingenieure ungewöhnliche Weg eingeschlagen, indem sie Spielzeuge konstruiert, sie hilft auch Mädchen einen Weg einzuschlagen, an den sie nicht gedacht hätten. Nämlich den der Ingenieurin.

Lindsey Scott

“From underware to software” oder “Runway by day, computers at night”, so beschreiben die Boulevardzeitungen Lindsey Scott. Sie ist Programmiererin. Und Model. Das passt nicht zusammen? Für Lindsey schon. “Für beide Tätigkeiten benutze ich den kreativen Teil meines Gehirns”, sagt sie.

Sie studierte am Amherst Collage dual Informatik und Theater. Nach ihrem Abschluss wollte sie als Schauspielerin arbeiten, bekam aber sehr gute Angebote von Modelagenturen und wurde so Model. Calvin Klein, Victoria’s Secret und viele andere machten sie zum gefragten Model. Als sie jedoch nach einer Europareise zurückkam, musste sie feststellen, dass ihre Agentur sie gefeuert hatte. Ohne ihr Bescheid zu geben. Nach diesem Schock besann sie sich auf ihren zweiten Abschluss und begann zu programmieren. Die Presse schnappte ihre Geschichte auf und verkaufte sie als Weltwunder. Weil sie modeln und programmieren konnte. In der IT-Branche hatte sie es nicht leicht, sie musste es den Skeptikern beweisen. Und so arbeitete sie hart daran, anderen und sich selbst zu helfen. Und wurde Nummer 1 auf StackOverflow in iOS-Fragen.

Heute programmiert sie professionell die Hälfte ihrer Zeit Apps in iOS und die andere Hälfte modelt sie. Lindsey wirkt auch in einigen Projekten mit, die ihr sehr am Herzen liegen. Sie bringt Kindern das Programmieren bei und ermutigt sie, das zu tun, was ihnen Spaß macht. Ob es nun Modeln oder Programmieren ist.

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