Alle in ihrer eigenen Filterblase

Etwa einmal in der Woche, wenn mir wirklich sehr langweilig ist (oder ich dringend prokrastinieren muss), schaue ich auf Facebook vorbei. Wie ich da durch meinen Feed scrolle, taucht ein Post nach dem anderen auf. Oh ein lustiges Katzenvideo… Scroll, scroll… Das Interview von Elon Musk sieht gut aus… Scroll… Uhh – ein Meme über das Studentensein! Je weiter ich scrolle, desto mehr fällt mir auf, dass alles sehr einseitig ist: Technik, Memes, Rezepte. Dabei habe ich alle großen Zeitungen abonniert, auch lokale und sogar englischsprachige, folge Musikern und Künstlern. Doch davon taucht nichts auf. Auch Freunden, mit denen ich länger nichts geschrieben habe, sind in den Tiefen Facebooks verschwunden. Wieso wird kaum noch etwas davon angezeigt? Was ist mit meinem Feed passiert?

Was ist mit meinem Feed passiert?

Wir leben in einer Zeit, in der wir von Informationen überschüttet werden. Täglich fließen gigantische Mengen an Daten durch unsere elektronischen Geräte. Wir könnten nicht mal im Ansatz all diese Informationen anschauen oder gar verarbeiten. Daher akzeptieren wir bereitwillig alle Filter, die uns zur Verfügung stehen. Wir brauchen solche Filter, um bei der Suche nach Informationen nicht hoffnungslos unterzugehen.

Nehmen wir zum Beispiel Google. Bei der Suche nach dem Wort Golf gibt es 1,47 Mrd. Suchergebnisse. Unmöglich, alle Such-Resultate nach der passenden Information zu durchforsten. Deshalb unterstützen uns die Google-Algorithmen, wenn wir mit unserem Google- Account angemeldet sind. Der passionierte Golfer wird eher Ergebnisse zum Sport bekommen, der Hobby-Automechaniker wohl eher Ergebnisse zum VW-Modell. Google kennt uns und möchte uns genau das liefern, was für uns relevant sein könnte. Bei der Stichwortsuche „Restaurant“ werden die Lokale in der Nähe angegeben und kein Sterne-Restaurant in Frankreich. Google geht uns zur Hand und möchte uns das Leben erleichtern. Und nicht nur Google, auch Amazon mit „das könnte Sie interessieren“ oder der Facebook Feed nutzen diesen persönlichen Ansatz.

Wir stehen damit im Echo der Selbstresonanz.

Denn das Internet repräsentiert den Narzissmus unserer Zeit so gut, wie sonst fast nichts: Wir stehen im Zentrum, es dreht sich alles nur um uns. Algorithmen nehmen unsere Daten, wie unseren Standort, das Geschlecht, unseren Suchverlauf und servieren uns genau das, was uns gefällt. Das Problem dabei: Wir landen in einer Informationsblase. Wir suchen einmal im Internet nach Sneakers und auf einmal tauchen überall Werbungen von Sneakers auf. Wir folgen einmal einem Link zu einem Kochrezept auf Facebook und schon füllt sich unser Feed mit leckeren Kochvorschlägen. Wir bekommen nur noch Informationen über Dinge, die uns sowieso interessieren. Wir sehen immer wieder das, was uns schon lange gefällt und stehen damit im Echo der Selbstresonanz. Unsere Interessen erweitern sich nicht, unser Horizont bleibt, wo er schon immer war und wir bleiben in unserer Komfortzone.

Natürlich ist es einfach, sich mit dem zu beschäftigen, was man sowieso schon kennt. Alles andere ist kompliziert und wird von den algorithmischen Filtern von uns ferngehalten. Nur leider ist das, was kompliziert ist, meistens auch sehr wichtig. Das Katzenvideo ist süß, entspannend und bringt uns zum Lachen. Der Dieselskandal hingegen ist kompliziert, fordert eine aktive Informationsbeschaffung und eine Meinungsbildung. Wir wählen den Weg des geringsten Widerstands und bleiben lieber in unserer Informationsblase. Doch politisch gesehen haben solche Filtervorgänge fatale Folgen. So bleibt ein Trump-Supporter in seiner schön einfachen schwarz-weißen Trump-Welt und ein Impfgegner in seiner Impfungen-sind-schlecht- Blase. Beide sind zufrieden, weil sie nirgendwo Gegenstimmen hören und wenn doch, dann nur ganz leise. Sie brauchen sich nicht mit Pro und Contra auseinander zu setzen, da sie sowieso nur die Informationen bekommen, die ihnen gefallen. Wenn ein Trump-Supporter in Google nach Trump sucht, wird er vermutlich deutlich mehr positive als negative Berichte über Trump erhalten und vice versa.

Wenn man dann aus den Tiefen des Internets auftaucht, wird man merken, dass wir selbst in Seifenblasen leben. Als Maschinenbauer hat man natürlich eine angeborene Leidenschaft für Technik und wird deshalb vermutlich lieber in das Deutsche Museum gehen als ins Lenbachhaus. Man beteiligt sich in studentischen Gruppen, die sich mit Technik befassen und in der Zeitung liest man vielleicht eher den Artikel über BMW als über den letzten Literaturnobelpreis. Und selbst im Kino bevorzugen wir eher den neusten Marvel Film. Wir sind in unserer Maschinenbauerblase gefangen. Und was können wir jetzt dagegen tun? Den Finger heben und die Seifenblase zum Platzen bringen! Wer im Internet nicht in einer Blase landen möchte, kann regelmäßig Cookies löschen oder den Inkognito-Modus verwenden. Meldet euch mal vom Google-Konto ab und genießt tabula rasa bei den Suchergebnissen. Im Großen und Ganzen hilft deshalb nur, selbst aktiv zu werden! Wir müssen aufstehen und Neues ausprobieren, den Horizont erweitern. Es braucht sehr viel Überwindung, einen Schritt aus der Komfortzone zu machen, aber das, was außerhalb der Seifenblase liegt, ist es allemal wert. Wieso nicht mal eine Ballettaufführung besuchen? Warum nicht mal auf ein Konzert einer Band gehen, die man noch nie gehört hat? Warum nicht mal einen Glasbläserkurs besuchen? Warum keinen Schal stricken lernen, ein Drama lesen oder einen Arthouse Film schauen? Jedes neue Thema, mit dem wir uns beschäftigen ist eine ganz neue Erfahrung und in jedem Fall eine Bereicherung. Also lasst eure Informationsblasen zerplatzen und verwirrt die Algorithmen mit Interessenvielfalt!

Aus 04/18 von Elene Mamaladze

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