Oder warum Prototypen so wichtig sind
Als König Gustav II. Adolf von Schweden 1625 die Galeone Vasa bauen ließ, sollte sie eins der größten und am stärksten bewaffneten Schiffe sein, um im Dreißigjährigen Krieg vor Macht strotzend die Gegner einzuschüchtern. Mit wehenden Flaggen, hunderten von wunderschönen bunten Schnitzereien und zwei prächtigen Kanonendecks begann die Vasa am 10. August 1628 ihre Jungfernfahrt… und sank nach 1300 m noch im Hafen.
Die Ursache war konstruktive Instabilität. Das Schiff hatte nicht genug Tiefgang und kippte beim ersten Windstoß einfach um. Hätte man das nicht vorher berechnen oder testen können, bevor man die über 500 handgemachten Schnitzereien am Schiff anbrachte und es auslaufen ließ?
Nunja, CAD und technische Zeichnungen gab es nicht. Der Schiffbaumeister Henrik Hybertsson hatte alle Maße im Kopf und basierte alles auf Erfahrungswerte für Proportionen. Es wurde für das Schiff keine einzige Zeichnung angefertigt, geschweige denn eine Auslegungsberechnung angestellt. Und da die Vasa das erste Kriegsschiff mit zwei Kanonendecks war, hatte Henrik Hybertsson noch keine Erfahrungswerte dafür.
Kurz vor der Fertigstellung führte der Flottenchef, Vizeadmiral Klas Fleming, noch einen Stabilitätstest durch: 30 Mann Besatzung
rannten schnell von der einen Seite des Schiffs zur anderen. Das Experiment musste abgebrochen werden, weil das Schiff bedrohlich schwankte. Aber der König hatte befohlen das Schiff zu bauen und man konnte sich nicht mit leeren Händen vor ihm
zeigen.
Nach der Katastrophe des Kenterns mit 30-50 Toten gab es selbstverständlich einen Gerichtsprozess, bei dem alle wichtigen Akteure vorgeladen wurden. Aber ein konkreter Schuldige konnte nicht festgestellt werden. Der Schiffbaumeister Hybertsson war noch vor der Fertigstellung verstorben und alle anderen waren involviert, aber hatten nicht DIE fatale Entscheidung getroffen. Heute nennt man solche Kommunikationsprobleme im Management auch das „Vasa-Syndrom“.
1961 konnte das Schiff nach 333 Jahren endlich geborgen werden. Als man es an die Oberfläche brachte, musste es dauerhaft nass gehalten werden, weil sich sonst beim Trocknen das Holz verzogen hätte. Das Schiff war erstaunlich gut erhalten. Das lag daran, dass sich im sauerstoffarmen Wasser Bakterien und der Schiffsbohrwurm nicht wohl fühlen und das Schiff nicht zersetzt haben. Glücklicherweise war das Hafenwasser so sauerstoffarm, was daran lag, dass so viel Müll im Hafenbecken versenkt wurde.
Nach der gründlichen Säuberung ersetzte Plastik die Wasserdusche. Um das Schiff auf lange Sicht haltbar zu machen, wurde es über 17 Jahre mit Polyethylenglycol imprägniert. Das stabilisiert die Holzfasern und gibt dem Schiff den Glanz, den es heute hat. Aber auch diese Maßnahmen können die Zersetzung nur verlangsamen und nicht für immer aufhalten. Das Schiff steht heute im Vasamusset in Stockholm und kann dort bewundert werden.
Als König Gustav II. Adolf von Schweden 1625 die Galeone Vasa bauen ließ, sollte sie eins der größten und am stärksten bewaffneten Schiffe sein, um im Dreißigjährigen Krieg vor Macht strotzend die Gegner einzuschüchtern. Aber Vasa wurde etwas anderes. Erst einmal wurde es ein Desaster. Aber hunderte Jahre später wurde es ein archäologischer Kulturschatz, an dem wir die Vergangenheit sichtbar machen können. Es haben nicht nur die Schiffbauer des 17. Jahrhunderts etwas daraus gelernt, sondern wir lernen vieles über die Vergangenheit. Und wenn es auch nur die Erkenntnis ist, dass Prototypen und Auslegungsberechnungen wichtig sind.
Quellen
Ein Museumsbesuch im Vasamuseet,
https://www.vasamuseet.se/de
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