Lern Fair – Fair Lernen statt Verlernen!

Auch wenn die Covid-19-Pandemie und deren Auswirkungen mittlerweile fast schon zum Alltag gehören, beeinflusst sie nach wie vor unser aller Leben. Diese Umstellung stellt(e) besonders Familien vor neue Herausforderungen. Ohne die Möglichkeit, Hilfe wie gewohnt in Anspruch nehmen zu können, mussten Schüler*innen bei Schulschließungen Unterrichtsinhalte teilweise eigenständig erarbeiten und zahlreiche Aufgaben, welche sie von ihren Lehrer*innen erhalten, bewältigen. Vielen Eltern fehlen die zeitlichen und/oder inhaltlichen Mittel, um ihren Kindern dabei unter die Arme zu greifen. Damit betroffene Schüler*innen nicht in Rückstand geraten, wurde Mitte März 2020 Lern-Fair (damals noch Corona School) ins Leben gerufen. Hier bieten ehrenamtlich arbeitende Studierende digitale, kostenfreie Hilfestellungen in einer 1-zu-1-Betreuung an.

Die Idee für das Projekt entstand in einer Diskussion zwischen dem Bonner Mathematikstudenten Christopher Reiners und seinen Bekannten. Er erkannte die aktuelle Problematik und wollte sich in diesen Krisenzeiten sozial engagieren. Durch die Schließung der Universitäten und die Einschränkung des öffentlichen Lebens hatten und haben viele Studierende mehr Zeit, welche sie für digitale Nachhilfe sinnvoll nutzen können. Da klassische Nachhilfe mit direktem Personenkontakt in der Corona-Krise nicht verantwortungsvoll wäre, kam Christopher auf die Idee, Online-Nachhilfe anzubieten. Kurzerhand entwickelte er zusammen mit seine drei Studienfreunden, Gero Embser, Lukas Pin und Tobias Bork, die Website www.corona-school.de (heute www.lern-fair.de). Die ganze Chronic findest du hier: https://www.lern-fair.de/entstehungsgeschichte

Sowohl Schülerinnen als auch Studierende registrieren sich mit ihrem Namen und einer E-Mail Adresse auf der Plattform. Zusätzlich werden dort die Fächer angegeben, in denen der*die Schüler*in Hilfe braucht bzw. in denen der*die Studierende Hilfe anbieten möchte. Diese Fächer müssen nicht zwangsläufig mit den eigenen Studienfächern übereinstimmen. Als nächstes werden die Studierenden zu einem persönlichen, digitalen Screening-Gespräch eingeladen. In diesen Gesprächen werden die Studierenden auf grundlegende fachliche wie pädagogische Fähigkeiten überprüft und mit den Werten und Verhaltensrichtlinien von Lern-Fair vertraut gemacht, um Missbrauch der Plattform auszuschließen. Anschließend werden mithilfe eines Matching-Algorithmus geeignete Lernpaare gebildet und beide Seiten über den/die gefundenen Lernpartner*in informiert. Für eine digitale Lernunterstützung stellt Lern-Fair einen persönlichen Link zur Verfügung, mit dem Video-Gespräche unkompliziert direkt über den Browser am Computer oder mittels einer App auf mobilen Endgeräte stattfinden können. In einem ersten digitalen Kennenlerngespräch werden genaue Unterrichtsinhalte besprochen, und das weitere Vorgehen abgeklärt. Im weiteren Verlauf bleibt den Studierenden und Schülerinnen allerdings freigestellt, auf welchem digitalen Weg sie sich untereinander vernetzen.

Um die Studierenden bestmöglich auf digitale Lernunterstützung vorzubereiten werden außerdem Leitfäden für die Gespräche bereitgestellt, in welchem sowohl pädagogische Tipps, als auch technische Hilfestellungen geboten werden. Anschließend koordinieren die Studierenden und Schüler*innen den Unterricht eigenständig und in dem Ausmaß, wie es für beide Parteien sinnvoll und möglich ist. Motivierte Studierende haben zusätzlich in einem User-Bereich die Möglichkeit, weitere Schüler*innen anzufordern und zu unterstützen. Ein engagiertes Team von mittlerweile fast 30 Studierenden arbeitet täglich teilweise bis zu 14 Stunden an dem Projekt. Die Arbeitsstruktur lässt sich dabei in verschiedene Themenbereiche unterteilen, z.B. die technische Entwicklung, die Durchführung der Screening-Gespräche, Marketing oder rechtliche Angelegenheiten. Für die Koordination und Organisation innerhalb und zwischen den Teams ist ein Kernteam von acht Studierenden verantwortlich.

Im Mai 2020 wurde Lern-Fair offiziell als Verein eingetragen und hat außerdem verschiedene andere Projekte ins Leben gerufen. Außerdem möchten die Stiftung Jugend forscht e.V. und Lern-Fair Plattform Schülerinnen und Schüler gemeinsam dabei unterstützen, eigene MINT-Projekte, also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, umzusetzen. Daher verbindet Lern-Fair e.V. motivierte Schülerinnen und Schüler mit engagierten Studierenden und Jugend forscht Alumni.

Lern-Fair möchte auch über die Corona-Krise hinaus den Austausch zwischen Studierenden und Schülerinnen fördern. Gerade für Schüler*innen mit bildungs- und chancenbenachteiligten Hintergrund bietet das kostenlose Projekt eine außerschulische Bildungsunterstützung, die andernfalls nicht für jede Familie finanziell möglich wäre. Unsere Vision ist eine Zukunft, in der jedes Kind unabhängig vom sozialen, kulturellen sowie finanziellen Hintergrund die gleichen Chancen auf Bildung hat.

Erfolge:
Lern-Fair konnte schon mehrere Preise gewinnen, aber der größte Erfolg war 2021 der deutsche Engagementpreis, der höchste Engagementpreis in Deutschland. Aktuell haben sich bei Lern-Fair über 23.000 Schüler:innen und über 15.000 registrierte Helfer:innen angemeldet, davon würden 97% das Angebot auch weiterempfehlen. (Befragung unter mehr als 3.000 Nutzer*innen).
Die Bundesregierung postete im November einen Aufruf für die Plattform auf Facebook.
Zusätzlich war einer der Gründer in einem Online-Dialog mit Angela Merkel dabei. (https://www.bundesregierung.de/breg-de/mediathek/videos/online-dialog-kulturwandel-digitales-lernen–1898574)

Eine Herausforderung war beispielsweise, dass sich immer wieder viele Schüler*innen angemeldet haben, aber nicht gleich viele Studierende, weswegen es leider manchmal zu Wartezeiten in der Verknüpfung der Lernpaare gab. Mit der Gründung des Campus Representative Teams wurden an den Universitätsstandorten Ansprechpartner*innen geschaffen, die auch weitere Studierende dazu ermutigen, sich zu engagieren. Außerdem wird über Zeitungsberichte, Radioauftritte und Social Media versucht, Studierende für das Projekt zu gewinnen.
Außerdem war es nicht einfach, die Engagierten, die ja in ganz Deutschland und teilweise auch im Ausland sind, zu vernetzen. Dies ist jedoch sehr gut gelungen durch die Nutzung eines gemeinsamen Slack-Workspace und häufigen Team-Online-Sitzungen, die auch aufgezeichnet werden. So bekommen alle alle Neuigkeiten mit und bleiben informiert, egal wo sie sind.

Mit der Umbenennung wollten wir auch zeigen, dass das Projekt über die Pandemiezeit hinausgehen soll. Eine große Chance ist, zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland beizutragen und Kindern die Möglichkeit zu geben, unabhängig von der Unterstützung und der finanziellen Situation zuhause den Anschluss in der Schule nicht zu verpassen und eine Person zu haben, die ihnen bei Fragen als Hilfe zur Seite steht. Dadurch, dass man die digitale Nachhilfe überall machen kann, wird eine Partnerschaft auch nicht durch ein Auslandssemester oder einen Umzug unterbrochen. Auch beispielweise Fremdsprachen mit Muttersprachlern zu üben gilt als Möglichkeit in der digitalen Nachhilfe.

Noch ein Beispiel aus der 1:1-Lernunterstützungs-Realität
Mein eigener Nachhilfeschüler kommt aus Rheinland-Pfalz und geht in die 7. Klasse. Ich begleite ihn seit knapp einem Jahr und wir treffen uns einmal die Woche über Zoom für circa eine Stunde. Seine Mutter schickt mir vorher häufig, was er gerade in der Schule macht und welches Fach diese Woche sinnvoll wäre. Dann gehen wir den aktuellen Stoff in der Stunde durch, wir üben gemeinsam und er kann seine Fragen stellen. Die Familie hat mir schon mehrmals gesagt, wie dankbar sie für meine Unterstützung ist und mich hat zu Weihnachten sogar ein Geschenk von ihnen erreicht. Ich kann wirklich aus eigener Erfahrung sagen, wie erfüllend die ehrenamtliche Hilfe dort ist! Und ich denke, dass jeder eine Stunde Zeit in der Woche hat, um einem Kind zu helfen! Ich selbst fand es bislang manchmal ein wenig schwierig, durch die digitale Barriere, etwas zu erklären. Manchmal hätte ich gerne etwas aufgemalt oder unterstrichen. Zwar habe ich selbst ein iPad mit Stift, so konnte ich ihm etwas aufmalen oder aufschreiben, aber wenn er eine Buchseite als Bildschirmpräsentation geteilt hat, war es sehr mühsam, mit der Maus etwas darauf zu markieren. Manchmal war auch leider die Internetverbindung ein Problem, sodass wir die Kamera ausschalten mussten.

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